Seit der «Atlas der Schweiz» im Jahr 1965 erstmals in gedruckter Form erschienen ist, hat sich viel getan. Die Forschung hat Wissen kräftig vermehrt, die Statistik hat Datenberge angehäuft, der Mensch hat die Technik in allen Belangen vorwärtsgetrieben. Das merkt man auch dem «Atlas der Schweiz» an: Ab Frühsommer 2016 wird diese umfangreiche und mehrfach preisgekrönte Sammlung spezieller Themenkarten über die Schweiz erstmals kostenlos im Internet veröffentlicht. Die Zeit des Papiers oder der Silberscheiben ist damit auch für dieses Atlaswerk vorbei. Die Daten müssen dabei nicht auf dem eignen PC installiert werden, sondern können mit Hilfe einer App - einem Miniprogramm, das beim Anzeigen der Daten hilft - bequem abgerufen werden.
Sich frei in 3D-Karten bewegen
Die auffälligsten Veränderungen sind die Benutzeroberfläche und die Menüstruktur. Diese wurden neu konzipiert. Die Benutzeroberfläche wurde nach den Prinzipien des sogenannten User Centred Design so gestaltet, dass der Nutzer die Karten einfach und intuitiv abrufen und sich mit diesen auseinandersetzen kann. Die Benutzeroberfläche passt den Atlas automatisch auf verschiedene Bildschirmgrössen an.
Neu am Online-Atlas ist, dass sich die 2D-Plankarten nahtlos in perspektivische 3D-Ansichten überführen lassen. Das war bei der letzten Ausgabe des Atlas noch nicht möglich. Neu ist auch, dass die Kartografen einen virtuellen 3D-Globus als Atlas-Grundlage verwendet haben. Dadurch stehen den Nutzerinnen und Nutzern Navigationsfunktionen wie stufenloses Zoomen und Schwenken sowie freie Bewegung im Raum zur Verfügung. Die Benutzer erfahren somit Topografie und thematische Daten direkt und können sich intensiv mit einer Karte auseinandersetzen.
Der Online-Atlas bietet nach wie vor die bewährte Sammlung von Kartenthemen. Dazu gehört zum Beispiel das Thema Geologie in der Kategorie «Natur und Umwelt». Neu ist die Kategorie «Geschichte und Zukunft». Damit lassen sich beispielsweise Veränderungen der Besiedlung der Schweiz über die Zeit nachverfolgen.
Tiefstes Tal und höchstes Haus
Die Atlas-Macher haben auch Themen mit einfachem Zugang aufgenommen, die unter der Kategorie «Porträt Schweiz» abrufbar sind. Dazu gehören Daten zu Rekorden, also dem höchsten und tiefsten Punkt des Landes oder etwa dem ältesten Hochhaus der Schweiz. «Solche Themen sind das Sprungbrett, um in den Atlas einzusteigen», sagt Projektleiter René Sieber vom Institut für Kartografie und Geoinformation (IKG) der ETH Zürich.
Die digitale Version des Atlas der Schweiz enthält zusätzlich weiterführende Informationen, die in separaten Kästchen angezeigt werden. Damit ist der Atlas nicht nur Kartenwerk, sondern eine Art Wiki.
Insgesamt enthält die Online-Version weniger einzelne Unterthemen als die DVD-Version von 2010. «Wir wollten das Tool wieder etwas schlanker gestalten», betont Sieber. Einige Karten wie solche zum Abstimmungsverhalten wurden weggelassen, andere kombiniert. über Links kann jedoch nach wie vor auf die Ursprungsdaten zugegriffen werden.
Entwickelt an der ETH Zürich
Entwickelt wurde der «Atlas der Schweiz - online» am Institut für Kartografie und Geoinformation der ETH Zürich. Dabei arbeitete das Institut eng zusammen mit den Bundesämtern für Landestopografie, für Statistik und für Umwelt und rund 70 weiteren Institutionen.
Für die Aufbereitung und die Redaktion der Daten ist ebenfalls das IKG zuständig. «Die wissenschaftliche Leistung dieses Kartenwerks liegt in der sorgfältigen Prüfung, Auswertung und redaktionellen Aufbereitung der verwendeten Daten», sagt der Chefredaktor Professor Lorenz Hurni. Das sei aufwendig, gerade weil die Daten aus sehr unterschiedlichen Quellen stammen und teils Fehler enthielten.
Viel Wert haben die Forschenden auch auf die grafische Darstellung der Daten gelegt. So haben sie sich für jeden Datensatz eine spezielle Visualisierungsform überlegt, die Farben sorgfältig ausgewählt und sich immer wieder neue Formen zur spielerischen Vermittlung der Fakten ausgedacht.
An diesem monumentalen Kartenwerk sind von Seiten ETH neben Hurni und Sieber lediglich zwei IT-Entwickler und zwei wissenschaftliche Redakteurinnen beteiligt. «Mit unserem Atlas treten wir mit Google in Konkurrenz - von den Ressourcen her sind die Spiesse sehr ungleich, aber wir haben die Herausforderung technisch wie auch aufgrund der aussagekräftigen thematischen Daten gut gemeistert», freut sich Hurni. Mit dem Atlas sollen interessierte Laien, Schulen, aber auch Fachleute und angesprochen werden.
1961 erschien im Auftrag des Bundesrates der erste «Atlas der Schweiz». Dieser stellte während 40 Jahren die geografische Vielfalt der Schweiz auf 600 gedruckten thematischen Karten dar. Im Jahr 2000 wurde der Atlas erstmals digital auf CD-ROM angeboten. 2004 und 2010 folgten erweiterte und aktualisierte Ausgaben auf CD oder DVD. Die neuste komplett überarbeitete Fassung ist die erste, die kostenlos online nutzbar ist. Der Kartenserver ist übrigens kein anonymer Cloud-Dienst; sämtliche Daten des «Atlas der Schweiz - online» liegen auf einem Server-Cluster, der am Institut für Kartographie und Geoinformation der ETH Zürich steht.
Der Atlas der Schweiz: Präsentation an der ETH
Um den Atlas der Schweiz zu nutzen, ist eine App erforderlich. Sie ist gratis und kann von der Website www.atlasderschweiz.ch heruntergeladen werden. Am um 17:30 Uhr präsentieren die Atlasmacher ihr Werk an der ETH Zürich im Hauptgebäude, Rämistr. 101, Hörsaal E 1.1. Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenlos.