25. November 2016
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur hat kürzlich zwei Studien zur Swissness durchgeführt. Prof. Ralph Lehmann und sein Team untersuchten den Wert der Marke Schweiz für die Industrie und ob Schweizer Industriebetriebe durch die neue Gesetzgebung Änderungen an ihren Wertschöpfungsketten vornehmen müssen.
Bei industriellen Gütern wie Uhren, Unterwäsche oder Zahnbürsten müssen per 1. Januar 2017 die Herstellungskosten mehrheitlich in der Schweiz anfallen. Nur so kann das Label «swiss made» verwendet werden. Das neue Swissness Gesetz sieht für den Industriesektor ein Minimum von 60 Prozent vor. In der Berechnung berücksichtigt werden sämtliche Fabrikationskosten sowie neu die Kosten für Forschung und Entwicklung, Qualitätssicherung und Zertifizierung. Zudem muss der wesentliche Produktionsschritt im Inland erfolgen. Das Inkrafttreten der neuen Swissness-Gesetzgebung wirft die Frage nach der Bedeutung des Wertes der Marke Schweiz für den Industriesektor auf. Und wichtig: Ob die allenfalls nötigen Anpassungen eine Hürde für die Verwendung der schweizerischen Herkunftsbezeichnung darstellen. Die HTW Chur hat die beiden Fragen wissenschaftlich untersucht.
Der Wert der Marke Schweiz
Swissness wird insbesondere von international tätigen KMUs verwendet und löst besonders bei den Endkonsumenten und -konsumentinnen eine höhere Zahlungsbereitschaft aus. Das zeigen auch die Resultate der aktuellen Untersuchung. Die Verwendung von Swissness im Unternehmensbzw. Produktauftritt ist speziell für die Differenzierungsmerkmale Zuverlässigkeit und Qualität vorteilhaft. Im Schnitt rechnet die Industrie mit einer Swissness-Preisprämie von rund 10 Prozent. Je nach Unternehmen und Produkt kann der effektive Wert erheblich variieren. Die Verwendung der Herkunftsbezeichnung ist ein unternehmerischer Entscheid. Der Nutzen muss die Kosten übertreffen. Trotz verschärfter Anforderungen zeigt sich für das nächste Jahr ein Wachstum in der Verwendung von Swissness um zirka 7 Prozent.
Die Verwendung der Schweizer Herkunftsbezeichnung nimmt im Marketing seit 15 Jahren stetig zu. Dieser Trend setzt sich mit der neuen gesetzlichen Regelung fort. Es lässt sich interpretieren, dass die neue Gesetzgebung keine massgebliche Hürde zur Verwendung von Swissness darstellt.
Anpassungen an der Wertschöpfungskette
Auch die Einflüsse der neuen Swissness-Gesetzgebung auf die Wertschöp-fungsketten der Unternehmen sind gering. So erwarten 95 Prozent der befragten Industriefirmen keine Verlagerungen von Wertaktivitäten ins In- oder Ausland aufgrund des neu in Kraft tretenden Gesetzes.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Die Hälfte der befragten Unternehmen erfüllen die Bedingungen der neuen Swissness-Gesetzgebung bereits. Für sie stellt die neue Regelung keinen Einflussfaktor dar, der sich auf die Wertschöp-fungskette auswirkt. Sie können die Marke Schweiz weiterhin ohne bürokratischen Aufwand oder zusätzlichem Bewilligungsverfahren nutzen. 22 Prozent der Befragten setzen im Marketing einen anderen Fokus. Swissness ist in ihrer Vermarktungsstrategie nicht relevant und eine Änderung der Wertschöpfungskette erübrigt sich. Für 15 Prozent wäre eine Verwendung der Herkunftsbezeichnung mit zu hohen Anpassungskosten verbunden. 12 Prozent geben an, dass die Umsetzung der Gesetzgebung zu umständlich und zu aufwändig wäre.
Gemäss den Erkenntnissen der HTW Chur wird das neue Swissness-Gesetz in der Industrie wenig verändern. Die Swissness wird von den befragten Unternehmen weiterhin genutzt und die erwarten Auswirkungen auf die Gestaltung der Wertschöpfungsketten sind gering. Gemessen an der zum Teil lebhaft geführten Diskussion zur Swissness mögen diese Resultate überraschen.
Zwei Studien der HTW Chur zur Swissness
Über 1000 Unternehmen wurden online über das Mitgliederverzeichnis von Swissmem angegangen. 326 eingegangene Fragebogen konnten wissenschaftlich ausgewertet werden. Die befragten Unternehmen weisen mehrheitlich eine kleine bis mittlere Grösse auf, sind im Maschinenbau tätig, bedienen Geschäftskunden und orientieren sich international. Für Auskünfte zu den beiden Studien stehen Ralph Lehmann und Kathrin Dinner gerne zur Verfügung.
Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur ist eine innovative und unternehmerische Fachhochschule mit rund 1700 Studierenden. Sie bildet verantwortungsvolle Fachund Führungskräfte aus. Als regional verankerte Fachhochschule überzeugt die HTW Chur mit ihrer persönlichen Atmosphäre über die Kantonsund Landesgrenze hinaus. Mit ihrer angewandten Forschung trägt sie zu Innovationen, Wissen und Lösungen für die Gesellschaft bei. Die HTW Chur bietet Bachelor-, Masterund Weiterbildungsangebote in Architektur, Bauingenieurwesen, Digital Science, Management, Multimedia Production, Photonics, Technik sowie Tourismus an. Die HTW Chur betreibt in allen Disziplinen angewandte Forschung und Entwicklung, führt Beratungen durch und bietet Dienstleistungen an. Die institutionelle Akkreditierung nach HFKG und die Labels «Recognised for Excellence» mit vier Sternen im EFQM-Modell sowie ISO 9001 und ISO 29990 bilden eine wichtige Basis der ganzheitlichen Entwicklung der Fachhochschule. Die Fachhochschule aus Graubünden ist seit dem Jahr 2000 Teil der FHO Fachhochschule Ostschweiz. Bereits 1963 begann die Geschichte der HTW Chur mit der Gründung des Abendtechnikums Chur. htwchur.ch