Dass Hitze das Wohlbefinden der Menschen beeinträchtigt, erstaunt wenig. Wie gross der Einfluss von Hitzewellen auf die Anzahl Notfall-Spitaleintritte ist, wurde nun zum ersten Mal wissenschaftlich für die Schweiz untersucht. Der Sommer 2015 - nach 2003 der zweitheisseste Sommer der Schweiz seit Messbeginn - verursachte über 2’700 zusätzliche Notfall-Eintritte in der Schweiz. Die häufigsten Ursachen waren Infektionskrankheiten, Erkrankungen des Urogenitalsystems sowie Grippe und Lungenentzündungen. Die Studie wurde am 15. August 2019 in der Fachzeitschrift Environmental Health veröffentlicht.
Mehrere Studien konnten bereits aufzeigen, dass Hitze die Sterblichkeitsraten erhöhen.1,2 So forderte der Hitzesommer 2015 beispielsweise hierzulande rund 800 zusätzliche Todesfälle.3 Nur wenige Studien haben jedoch die Auswirkung von Hitzewellen auf Erkrankungen und Spitaleintritte untersucht. Forschende des Schweizerischen Tropenund Public Health-Instituts (Swiss TPH) haben nun im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) die Notfall-Spitaleintritte in der Schweiz während der drei Hitzewellen zwischen Juni und August 2015 im Detail analysiert.
Erste Hitzewelle hat die grösste Auswirkung
Die Studie, die heute in der Fachzeitschrift Environmental Health veröffentlicht wurde, zeigt, dass der Hitzesommer 2015 zu über 2’700 zusätzlichen Notfall-Spitaleintritten geführt hat. Betroffen waren vor allem ältere Personen und die Bevölkerung in den heissesten Regionen Tessin und dem Genfersee-Gebiet. "Die Daten aus dieser und anderen Studien zeigen, dass vor allem die erste Hitzewelle eines Sommers einen grossen Einfluss auf Todesund Krankheitsfälle hat", sagt Martina Ragettli, Wissenschaftlerin am Swiss TPH und Leiterin der Studie. "Der Effekt wird noch zusätzlich verstärkt, wenn die Hitzewelle bereits im Frühsommer auftritt".
Die häufigsten Ursachen für die zusätzlichen Notfall-Spitaleintritte waren Infektionskrankheiten, Erkrankungen des Urogenitalsystems, Krankheiten des Verdauungssystems sowie Grippe und Lungenentzündungen. "Diese Ursachen überraschen, denn bei den hitzebedingten Todesfällen spielen Herzkreislaufund Atemwegs-Erkrankungen die Hauptrolle", so Ragettli. Die schnellere Verbreitung von Viren und Bakterien bei hohen Temperaturen scheint somit für Spitaleintritte einen wichtigen Einfluss zu haben.
Für die Studie wurden Daten zu Notfall-Spitaleintritte in den Schweizerischen Krankenhäuser zwischen 2005 und 2015 aus der Medizinischen Statistik der Krankenhäuser vom Bundesamt für Statistik analysiert. Mit statistischen Methoden wurde gesamthaft, und für verschiedene Diagnosegruppen separat abgeschätzt, wie viele Spitaleintritte im Sommer 2015 zu erwarten gewesen wären, und wie viele tatsächlich beobachtet wurden.
Hitze-Massnahmenpläne helfen bei der Prävention
Die Studienautoren empfehlen, die kantonalen Hitze-Massnahmenpläne entsprechend den Studienresultaten zu erweitern und beispielsweise Empfehlungen betreffend infektiösen und parasitären Erkrankungen abzugeben. Untersuchungen in der Schweiz zeigen, dass die kantonalen Massnahmenpläne wichtig für den Schutz der Gesundheit während Hitzewelle sind.4 Bereits relativ einfach umsetzbare Massnahmen haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung.
Klimawandel und Gesundheit
Der Klimawandel und seine negativen Folgen für Pflanzen, Tiere und Menschen sind eine zentrale Herausforderung für die nachhaltige Entwicklung. Die Vereinten Nationen fordern daher im Rahmen der Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sofortige Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen.
Das Winter Symposium des Swiss TPH vom 5.- 6. Dezember 2019 befasst sich ebenfalls mit dem Thema "Klimawandel und Gesundheit" und diskutiert mögliche Anpassungsstrategien um die Gesundheitsrisiken zu minimieren.
1 Grize L et al. (2005). Heatwave 2003 and mortality in Switzerland. Swiss Medical Weekly, 135.13-14: 200-205.
2 Ragettli MS, Vicedo-Cabrera AM, Schindler C, Röösli M (2017). Exploring the association between heat and mortality in Switzerland between 1995 and 2013. Environmental Research, 158: 703-709.
3 Vicedo-Cabrera AM, Ragettli MS, Schindler C, Röösli M (2016) Excess mortality during the warm summer of 2015 in Switzerland. Swiss Medical Weekly, 146. w14379. ISSN 1424-7860
4 Ragettli MS, Röösli M (2019). Hitzeaktionspläne zur Prävention von hitzebedingten Todesfällen-Erfahrungen aus der Schweiz. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 62: 605-611.