06. Oktober 2022 Sowohl positive als auch negative emotionale Erlebnisse bleiben besonders gut im Gedächtnis abgespeichert. Dieses Phänomen ist Überlebenswichtig, weil wir uns beispielsweise an Gefahrensituationen erinnern müssen, um sie künftig zu vermeiden. Aus bisherigen Studien wusste man, dass eine Hirnstruktur namens Amygdala, die für die Verarbeitung von Emotionen wichtig ist, eine zentrale Rolle bei diesem Phänomen spielt. Gefühle aktivieren die Amygdala, welche ihrerseits die Abspeicherung von Informationen in verschiedenen Bereichen des Grosshirns begünstigt.
In der aktuellen Arbeit untersuchten Forschende um Dominique de Quervain und Andreas Papassotiropoulos von der Universität Basel die Rolle des Kleinhirns beim Abspeichern emotionaler Erlebnisse. In einer grossangelegten Studie zeigten die Forschenden 1418 Studienteilnehmenden emotionale und neutrale Bilder. Währenddessen zeichneten sie die Hirnaktivität der Probanden mittels Magnetresonanztomographie auf.
Sowohl an positive als auch an negative Bilder erinnerten sich die Studienteilnehmenden in einem späteren Gedächtnistest viel besser als an neutrale Bilder. Das verbesserte Abspeichern von emotionalen Bildern war mit einer erhöhten Hirnaktivität in den bereits bekannten Bereichen des Grosshirns verbunden. Zusätzlich identifizierten das Forschungsteam eine starke Aktivierung im Kleinhirn.
Das Kleinhirn im Austausch mit dem Grosshirn
Die Forschenden konnten ausserdem zeigen, dass das Kleinhirn während der verbesserten Abspeicherung der emotionalen Bilder mit diversen Bereichen des Grosshirns verstärkt kommuniziert. Dabei empfängt es Informationen vom Gyrus Cinguli, einer Hirnregion, die wichtig für die Wahrnehmung und Bewertung von Gefühlen ist. Ferner sendet das Kleinhirn Signale an verschiedene Hirnregionen, unter anderem zur Amygdala und zum Hippocampus. Letzterer spielt bei der Gedächtnisabspeicherung eine zentrale Rolle.’Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Kleinhirn ein integraler Bestandteil eines Netzwerks ist, welches für die verbesserte Abspeicherung emotionaler Informationen verantwortlich ist’, so de Quervain. Obwohl ein verbessertes Gedächtnis für emotionale Erfahrungen einen lebenswichtigen Mechanismus darstellt, hat dieser auch Schattenseiten: Im Falle sehr negativer Erlebnisse kann er wiederkehrende Angstzustände begünstigen. Daher könnten die nun veröffentlichten Erkenntnisse ebenfalls für das Verständnis psychiatrischer Krankheitsbilder wie der posttraumatischen Belastungsstörung von Bedeutung sein.
Originalpublikation
Matthias Fastenrath et al.
Human cerebellum and corticocerebellar connections involved in emotional memory enhancement.
PNAS (2022), doi: 10.1073/pnas.2204900119
Die aktuelle Studie ist Teil eines grossangelegten Forschungsprojekts der Forschungsplattform Molecular and Cognitive Neurosciences der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken. Ziel dieses Projektes ist es, ein besseres Verständnis von emotionalen und kognitiven Prozessen zu erlangen und Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in klinische Projekte zu Übertragen.