Schweizer Wörter des Jahres 2022

- DE - FR- IT
Schweizer Wörter des Jahres 2022

Strommangellage, boycotter, penuria und mancanza sind die Wörter des Jahres Schweiz 2022. Sie zeigen, worüber die Gesellschaft nachdenkt und was sie bewegt. ZHAW-Forschende nutzten die grösste Textdatenbank der Schweiz als Basis, die Jury entschied die Wahl.

Strommangellage im Deutschen, boycotter im Französischen, penuria im Italienischen und mancanza im Rätoromanischen sind die Wörter des Jahres Schweiz. Auf den zweiten und dritten Plätzen folgen Frauen-Ticket und Schutzstatus S, sobriété und souffle, invasione und coraggio sowie status S und 19 grads (siehe Box). ,,Diese Wörter haben 2022 den Diskurs in der Schweiz und ihren Sprachregionen geprägt - wissenschaftlich belegt in der Textdatenbank und bestätigt durch die Wahl der vier Jurys aus Sprachschaffenden", erklärt ZHAW-Sprachwissenschaftlerin Dr. Marlies Whitehouse, Leiterin der deutschsprachigen Jury und des Projekts Wort des Jahres Schweiz.

In allen vier Landessprachen

2017 hat das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW die Verantwortung für die Wahl des Wortes des Jahres Übernommen. Seither erfolgt die Wahl mehrsprachig, forschungsbasiert und interaktiv. In Zusammenarbeit mit der Lia Rumantscha wird seit 2019 das Wort des Jahres Schweiz auch in Rätoromanisch gewählt. Für jede Sprache führt die Wahl über drei Stufen:

Wissenschaftler:innen analysieren die Schweizer Diskursdatenbank Korpus Swiss-AL und bestimmen pro Sprache die rund 30 Wörter, die im Jahr 2022 häufiger oder deutlich anders verwendet wurden als in den Jahren zuvor. Dann wählt eine Jury von Sprachprofis aus dieser Liste, aus Publikumsvorschlägen und aufgrund eigener Erfahrung die drei markantesten Wörter. Und schliesslich zeigen die Forschenden auf, wie sich diese Wörter 2022 im Sprachgebrauch in der Schweiz entwickelt haben und für welche gesellschaftlichen Veränderungen sie stehen.

Die vier Jurys bestehen aus je rund zehn Sprachschaffenden aus der deutsch-, französisch-, italienischund rätoromanischsprachigen Schweiz. Für Datenbank und Projektleitung verantwortlich zeichnet das Departement Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur.

Wort des Jahres Schweiz

Platz 1: Strommangellage
Strom, der scheinbar immer verfügbar war, könnte plötzlich Mangelware sein. Die Lage ist unsicher. Die Schweiz ist vernetzt und verstrickt im europäischen Strommarkt, die Importmengen sind aber derzeit nicht gewährleistet. Der Krieg in der Ukraine, die erst zaghafte Nutzung von Solarenergie und die Klimaveränderung verschärfen die Lage zusätzlich. Trotz Notfallszenarien könnte es in den Schweizer Stuben ein dunkler, kalter Winter werden.

Platz 2: Frauen-Ticket
Das Frauen-Ticket der SP soll sicherstellen, dass eine Frau, und zwar ausschliesslich eine Frau, den Sitz der abtretenden Bundesrätin Sommaruga Übernimmt. Was 2018 bei der FDP reibungslos funktionierte, als es um die Nachfolge von Altbundesrat Schneider-Ammann ging, gab nun zu reden. Als «diskriminierend» empfand es der für eine Kandidatur bereite SP-Mann Jositsch. Die Partei legte schliesslich mit klarer Mehrheit fest: Zwei Frauen erhalten ein Billett ins Rennen um den Bundesratssitz.

Platz 3: Schutzstatus S
2022 hat der Bundesrat erstmals den Schutzstatus S aktiviert. Damit erhielten Schutzsuchende aus der Ukraine, die ihre Heimat wegen des Kriegs verlassen hatten, rasch ein Aufenthaltsrecht ohne ordentliches Asylverfahren. Und darin lag auch bald einmal ein Kritikpunkt: Weshalb werden Kriegsflüchtlinge aus verschiedenen Ländern unterschiedlich behandelt? Das Wort selbst schweigt sich dazu aus: In ihm spiegeln sich menschliches Leid und pure Verwaltungssprache.