Ein komplexes Zusammenspiel führt zu grosser Hitze

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 (Image: Pixabay CC0)
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Viele Regionen haben in den letzten Jahren unter Hitzewellen gelitten. Doch wie diese genau entstehen, ist nach wie vor umstritten. Zwei Forscher finden nun eine differenzierte Antwort.

Ungewöhnlich heisses Wetter in Indien und Pakistan Ende März, ein langer, Überdurchschnittlich warmer Sommer in Mitteleuropa, extreme Dezember-Temperaturen in Nord-Argentinien, Uruguay und Paraguay - das Jahr 2022 machte auch mit etlichen Hitzewellen von sich reden. Und unter den Klimaforscher:innen besteht heute ein weitgehender Konsens, dass solche Extremereignisse künftig markant häufiger vorkommen werden als heute.

Dabei sind es im Wesentlichen drei Mechanismen, die das Thermometer auf ungewöhnlich hohe Werte klettern lassen: entweder gelangt Luft aus wärmeren Regionen in kühlere, beispielsweise aus der Sahara nach Mitteleuropa; die Luft sinkt in einem Hochdruckgebiet ab und erwärmt sich dabei durch Kompression; oder die Sonne heizt den Boden ungewöhnlich stark auf, so dass die darüber liegende Luft stärker als üblich erwärmt wird.

Welcher Prozess dominiert?

«Diese drei Prozesse sind einfach zu verstehen und lassen sich gut mit physikalischen Formeln beschreiben», erklärt Matthias Röthlisberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Atmosphärendynamik der ETH Zürich. Umso bemerkenswerter findet er, dass es zu diesen drei Prozessen dennoch eine intensive Kontroverse gibt. Die Fachwelt ist sich nämlich nicht einig, wie wichtig jeder dieser drei Prozesse ist und welcher letztlich entscheidet, ob es an einem Ort eine Hitzewelle gibt oder nicht.

Dabei gehe es nicht einfach um eine akademische Frage, meint Röthlisberger: «Es ist wichtig zu verstehen, wie gross die Anteile der einzelnen Mechanismen sind. Denn nur so lässt sich abschätzen, wie verlässlich die Projektionen der Klimamodelle sind.» Diese sagen die Häufigkeit und Dauer von Hitzewellen unter den heutigen Bedingungen zwar sehr genau voraus. «Doch wir verstehen noch nicht gut genug, ob die Modelle Hitzewellen tatsächlich aus den physikalisch richtigen Gründen korrekt abbilden.»

Umfangreicher Datensatz

Röthlisberger will diese Wissenslücke nun zusammen mit seinem Kollegen Lukas Papritz aus der gleichen Gruppe schliessen. Um die strittige Frage zu klären, haben die Forscher ausgehend von einer Hitzewelle in Kanada, bei der Ende Juni 2021 Temperaturen von fast 50 Grad gemessen wurden, Hitze-Extreme auf der ganzen Welt analysiert.

Für ihre Analyse nutzten die Wissenschaftler den neusten Datensatz des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF), der dreidimensionale globale Wetterdaten in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung enthält. Aus diesem umfangreichen Datensatz haben sie zunächst an jedem Ort der Welt den heissesten Tag in jedem der letzten 40 Jahre herausgefiltert. Anschliessend haben sie in akribischer Rechenarbeit ermittelt, welchen Weg die bodennahe Luft am jeweiligen Ort in den vergangenen 15 Tagen zurückgelegt hatte und an welcher Stelle diese Luft letztmals eine normale Temperatur hatte.

Der Weg der Luft ist entscheidend, weil dieser auf den Hauptmechanismus der Erwärmung hinweist. Stammt die Luft aus einer klimatisch wärmeren Region, dann trägt Wärmetransport substantiell zur Hitzewelle bei. Stammt die Luft hingegen aus einer klimatisch vergleichbaren Region, dann sind es eher die beiden anderen Faktoren, welche die Temperaturen in die Höhe treiben.

Grosse regionale Unterschiede

Röthlisberger und Papritz haben für ihre Studie insgesamt 250 Millionen Luftpakete untersucht. Die Auswertung der Daten zeigt: Das Zusammenspiel der drei Faktoren ist regional extrem unterschiedlich. Jeder der Faktoren dominiert in gewissen Regionen der Welt, aber sehr oft entstehen Hitzewellen durch ein komplexes Zusammenspiel aller drei Mechanismen.

Bei der erwähnten Hitzewelle in Kanada beispielsweise konnten die Forscher zeigen, dass eine Kombination aller drei Faktoren zur ungewöhnlichen Wettersituation führte. Dabei gibt es auch innerhalb dieser einzelnen Hitzewelle regionale Unterschiede: In den küstennahen Zonen führte vor allem der Wärmetransport aus dem Süden und das Absinken der Luft zu grosser Hitze, während im Landesinneren die Erwärmung der Luft durch den trockenen und daher aufgeheizten Boden für extreme Temperaturen sorgte.

Für Zentraleuropa hingegen stellen die Forscher fest, dass heisse Sahara-Luft häufig nur einen indirekten Einfluss hat. Wenn heisse Luft von Afrika nach Europa gelangt, verdrängt sie meistens nicht die kühlere Luft am Boden, sondern gleitet über diese hinweg. «Die Sahara-Luft erwärmt also nicht die unteren, sondern die mittleren und oberen Schichten der Atmosphäre», erklärt Papritz. «Die heisse Luft am Boden kommt hingegen meistens vom Atlantik her zu uns und wird dann hier durch das Aufheizen am Boden und Kompression erhitzt.» Dennoch spielt die Sahara-Luft eine wichtige Rolle: Weil sie die höheren Schichten aufheizt, entstehen trotz der bodennahen Erwärmung keine Gewitter, welche für die dringend erhoffte Abkühlung sorgen würden.

Felix Würsten