
Strassenränder als Einfallstor
Gebietsfremde Pflanzen werden oft vom Menschen willentlich oder unbeabsichtigt im Tiefland eingeführt und breiten sich von da in grössere Höhen aus, besonders entlang von Strassen, weshalb sich die Forschenden auf Verkehrswege konzentrieren. Entlang von Strassen haben Neophyten leichtes Spiel, weil der Mensch unter anderem deren Samen verbreitet und die natürliche Vegetation gestört ist. Die Konkurrenz mit angestammten Arten, die sich an das vorherrschende Klima angepasst haben, ist deshalb geschwächt.In intakten Gebirgslebensräumen fernab von Strassen haben biologische Invasoren hingegen einen schweren Stand, wie Iseli betont. «Ist die ursprüngliche Vegetation intakt, dauert es viel länger, bis sich Neophyten durchsetzen und ausbreiten.»
Daten aus aller Welt
Die Daten, die der Studie zugrunde liegen, umfassen fast 15’000 Beobachtungen von 616 nicht einheimischen Pflanzenarten aus 651 Untersuchungsflächen und werden weltweit nach dem gleichen Vorgehen erhoben. So erfassen die Forschenden die gebietsfremden Arten in T-förmigen Untersuchungsflächen, also einen 50 Meter langen Streifen entlang von Bergstrassen sowie einem dazu senkrecht stehenden 100 Meter langen Streifen, der von der Strasse wegführt. Die Untersuchungsflächen sind in regelmässigen Höhenabständen entlang verschiedener Bergstrassen in jeder Region verteilt.Vorgenommen wurden die Vegetationsaufnahmen in Süd- und Mittel-Chile, zwei Regionen in Australien, auf Teneriffa, in der Schweiz, zwei Gebieten im Westen der USA, auf Hawaii, in Kaschmir und in Norwegen.
Im Jahr 2007 wurden die Vorkommen gebietsfremder Pflanzen in sechs Gebirgsregionen erstmals erhoben, 2012 in den restlichen fünf. Alle fünf bis zehn Jahre werden die Vegetationsaufnahmen wiederholt. Die Forschenden beteiligen sich freiwillig an diesem Projekt und finanzieren es aus eigenen Mitteln.
Durchgeführt wird diese Studie durch das Mountain Invasion Research Network (MIREN), das 2005 gegründet wurde. Es hat zum Ziel, die die Neuverteilung von gebietsfremden und angestammten Pflanzenarten in Berggebieten wissenschaftlich zu untersuchen und Grundlagen für den Umgang mit Neophyten zu schaffen. Von 2015 bis 2019 war Jake Alexander, Senior Scientist in der Gruppe für Pflanzenökologie der ETH Zürich, Co-Vorsitzender des Netzwerks.
«Die aktuelle Studie macht klar, dass wir Überwachungsprogramme für die Biodiversität weltweit ausdehnen und Massnahmen ergreifen müssen, um mögliche negative Folgen für Gebirgsökosysteme und ihre Flora und Fauna abzuwenden», betont Alexander. «Wir müssen jetzt handeln, denn wir können regelrecht dabei zuschauen, wie sich unsere Bergwelten verändern.»