
Ein Forscherteam enthüllt, dass Planetensysteme auf vier verschiedene Arten um einen Stern herum organisiert sein können.
Astronomen vermuteten schon lange, dass nicht alle Planetensysteme so strukturiert sind wie unser Sonnensystem. Ein Team von Wissenschaftlern der Universitäten Bern und Genf sowie des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS zeigt nun zum ersten Mal, dass es in Wirklichkeit vier verschiedene Arten von Planetensystemen gibt. Diese Klassifizierung wird es Astronomen ermöglichen, diese Systeme als Ganzes zu untersuchen und mit anderen zu vergleichen. Die Ergebnisse finden sich in zwei Artikeln, die in der Fachzeitschrift Astronomy and Astrophysics veröffentlicht wurden.
In unserem Sonnensystem scheint alles in Ordnung zu sein: Die kleinen Gesteinsplaneten wie Venus, Erde oder Mars umkreisen die Sonne in relativ geringem Abstand. Gas- und Eisriesen wie Jupiter, Saturn oder Neptun haben dagegen größere Umlaufbahnen um die Sonne. Forschende der Universitäten Bern und Genf, Mitglieder des NFS PlanetS, zeigen in zwei Studien, die in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurden, dass unser Planetensystem in dieser Hinsicht eine Ausnahme bildet.
Wie Erbsen in einer Schote
Aufgrund von Beobachtungen, die vor mehr als einem Jahrzehnt mit dem damals hochmodernen Kepler-Weltraumteleskop durchgeführt wurden, hatten Astronomen festgestellt, dass Planeten in anderen Systemen ihren jeweiligen Nachbarn in Bezug auf Masse und Größe in der Regel wie Erbsen in einer Schote ähneln’, erklärt der Hauptautor der Studie, Dr. Mishra. Lokesh Mishra, Forscher an den Universitäten Bern und Genf und Mitglied des NFS PlanetS. Es war unmöglich zu bestimmen, ob die Planeten in einem System ähnlich genug sind, um als "Erbsen in einer Schote" zu gelten, oder ob sie sich wie unser Sonnensystem unterscheiden", so der Forscher.
Deshalb entwickelte der Wissenschaftler eine Nomenklatur, mit der er die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Planeten in denselben Systemen bestimmen konnte. Daraufhin fand er heraus, dass es bei Planetensystemen nicht zwei, sondern vier verschiedene Architekturtypen gibt.
Wir nennen diese vier Klassen ’’ähnlich’’, ’’geordnet’’, ’’anti-geordnet’’ und ’’gemischt’’", sagt Lokesh Mishra. In die Kategorie "ähnlich" fallen Planetensysteme, in denen die Massen der benachbarten Planeten nahezu identisch sind. Systeme, in denen die Masse der Planeten mit zunehmender Entfernung zum Stern tendenziell zunimmt, fallen in die Kategorie "geordnet", wie unser Sonnensystem. Wenn die Masse der Planeten dagegen mit zunehmender Entfernung vom Stern abnimmt, sprechen die Wissenschaftler von einer ’’anti-geordneten’’ Architektur. Der "gemischte" Typ schließlich wird verwendet, um ein System zu beschreiben, in dem die Massen der Planeten stark variieren und von Planet zu Planet unterschiedlich sind.
’Diese Nomenklatur kann auch für jede andere Art von Messung verwendet werden, wie zum Beispiel den Radius, die Dichte oder den Wasseranteil dieser Planeten’, fügt der Koautor der Studie Yann Alibert, Professor für Planetenwissenschaften an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS, hinzu. ’Nun haben wir zum ersten Mal ein Werkzeug, mit dem wir Planetensysteme als eine Einheit untersuchen und mit anderen Systemen vergleichen können.’
Die Ergebnisse werfen auch neue Fragen auf: Welche Architektur ist am häufigsten anzutreffen? Welche Schlüsselfaktoren steuern die Entstehung der einzelnen Architekturtypen? Auf einige dieser Fragen haben die Forscher bereits eine Antwort.
Eine Abstammung über mehrere Milliarden Jahre hinweg
’Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Architektur eines ’’ähnlichen’’ Planetensystems die häufigste ist. Etwa acht von zehn Systemen um die am Nachthimmel sichtbaren Sterne weisen eine solche Architektur auf’, sagt Lokesh Mishra. ’Das erklärt auch, warum bereits in den ersten Monaten der Kepler-Mission Hinweise auf eine solche Architektur gefunden wurden.’ Was das Forscherteam überraschte, war, dass die ’’geordnete’’ Architektur, die unserem Sonnensystem entspricht, die seltenste zu sein scheint.
Laut Lokesh Mishra scheint es, dass die Masse der Gas- und Staubscheibe, aus der die Planeten entstehen, zusammen mit dem Reichtum an schweren Elementen in den jeweiligen Wirtssternen eine Schlüsselrolle spielt. ’’Ähnliche’’ Systeme gehen aus relativ kleinen und massearmen Scheiben hervor. Im Gegensatz dazu entstehen in massereichen Scheiben, die viele schwere Elemente enthalten, überwiegend ’’geordnete’’ und ’’antigeordnete’’ Systeme. Schließlich entstehen in Scheiben mittlerer Größe "gemischte" Systeme. Abgesehen davon beeinflussen auch dynamische Wechselwirkungen zwischen den Planeten, wie Kollisionen oder Auswürfe, die endgültige Architektur".
Einer der bemerkenswerten Aspekte dieser Ergebnisse ist, dass sie die Anfangsbedingungen der Stern- und Planetenentstehung mit einer Eigenschaft verbinden, die wir heute beobachten können: der Architektur des Planetensystems. Dazwischen liegen Milliarden von Jahren der Evolution. Zum ersten Mal ist es uns gelungen, eine Verbindung über einen so großen Zeitraum hinweg herzustellen, um überprüfbare Vorhersagen zu treffen. Es wird spannend sein zu sehen, ob sich diese Vorhersagen über die Zeit halten werden’, schloss Yann Alibert.
14. Feb. 2023