Höhere Energieeffizienz bei der Datenverarbeitung

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Höhere Energieeffizienz bei der Datenverarbeitung

Der von Wissenschaftlern der EPFL entwickelte erste gross angelegte In-Memory-Prozessor, der sich auf zweidimensionale Halbleitermaterialien stützt, könnte den Energiefussabdruck des IKT-Sektors deutlich verringern.

Wenn die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) Daten verarbeitet, wandelt sie Strom in Wärme um. Der globale CO2-Fussabdruck des IKT-Ökosystems ist dem des Flugverkehrs bereits dicht auf den Fersen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass ein beträchtlicher Teil der Energie, die Computerprozessoren verbrauchen, nicht für Berechnungen verwendet wird. Der Grossteil der Energie für die Datenverarbeitung wird für die Bewegung von Bytes zwischen Speicher und Prozessor verwendet.

In einem in Nature Electronics veröffentlichten Artikel stellen Forscher und Forscherinnen des Laboratory of Nanoscale Electronics and Structures (LANES) der Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Technik der EPFL einen neuen Prozessor vor, der diese Quelle der Ineffizienz beseitigt, indem er die Datenverarbeitung und die Speicherung auf einem einzigen Medium, einem Speicherprozessor, integriert. Sie haben den ersten Speicherprozessor entwickelt, der auf einem zweidimensionalen Halbleitermaterial mit mehr als 1000 Transistoren basiert - ein Meilenstein auf dem Weg zur industriellen Produktion.

Von Neumans Vermächtnis

Laut Andras Kis, dem Leiter der Studie, ist die allgemein anerkannte Von-Neumann-Architektur die Ursache für die Ineffizienz der heutigen Prozessoren, genauer gesagt die physische Trennung der Komponenten, die Berechnungen durchführen, und der Komponenten, die Daten speichern. Aufgrund dieser Trennung müssen Prozessoren Daten aus dem Speicher abrufen, um Berechnungen durchzuführen, wobei elektrische Ladungen verschoben, Kondensatoren geladen und entladen und Ströme über Leitungen übertragen werden. Bei all diesen Vorgängen wird Wärme abgegeben.

Bis vor etwa 20 Jahren war diese Architektur sinnvoll, da für die Speicherung und Verarbeitung von Daten verschiedene Arten von Geräten benötigt wurden. Effizientere Alternativen stellen die Von-Neumann-Architektur jedoch immer wieder in Frage. "Derzeit laufen Bemühungen, Speicherung und Verarbeitung in universellen Speicherprozessoren zu verschmelzen, die Elemente enthalten, die sowohl als Speicher als auch als Transistoren funktionieren", erklärt Andras Kis. Sein Labor untersuchte Ansätze, um dieses Ziel mithilfe von Molybdändisulfid (MoS2), einem Halbleitermaterial, zu erreichen.

Eine neue zweidimensionale Prozessorarchitektur

In dem in Nature Electronics erschienenen Artikel stellen Guilherme Migliato Marega, Assistenzdoktorand am LANES, und seine Koautoren einen Speicherprozessor aus MoS2 vor, der einer der grundlegenden Operationen der Datenverarbeitung gewidmet ist, der Multiplikation eines Vektors mit einer Matrix. Diese Operation ist in der digitalen Signalverarbeitung und bei der Implementierung von Modellen der künstlichen Intelligenz allgegenwärtig. Eine Verbesserung der Effizienz dieser Operation könnte zu erheblichen Energieeinsparungen im gesamten IKT-Sektor führen.

Der Prozessor, den das Forscherteam entwickelt hat, vereint 1024 Elemente auf einem 1 cm2 grossen Chip. Jedes Element enthält einen zweidimensionalen Transistor aus MoS2 und ein schwebendes Gate, das eine Speicherladung speichern kann, die die Leitfähigkeit jedes Transistors steuert. Eine solche Kombination von Verarbeitung und Speicher verändert die Berechnungsmethode des Prozessors grundlegend. "Indem wir die Leitfähigkeit jedes Transistors einstellen, sind wir in der Lage, eine analoge Multiplikation einer Matrix mit einem Vektor in einem einzigen Schritt vorzunehmen, indem wir Spannungen an unseren Prozessor anlegen und die Ausgabe messen", sagt Andras Kis.

Ein grosser Schritt in Richtung praktischer Anwendungen.

Das gewählte Material MoS2 spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des In-Memory-Prozessors des Wissenschaftlerteams. MoS2 ist ein Halbleiter, ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Entwicklung eines jeden Transistors. Im Gegensatz zu Silizium, dem derzeit am häufigsten verwendeten Material für Halbleiter in Computerprozessoren, bildet MoS2 eine einzige stabile Schicht mit einer Dicke von nur drei Atomen, die nur schwach mit ihrer Umgebung interagiert. Ihre Dünnheit ist günstig für die Herstellung extrem kompakter Geräte. Die Spezialisten am LANES kennen sich mit diesem Material sehr gut aus. Im Jahr 2010 entwickelten sie ihren ersten Transistor aus MoS2, indem sie eine einzelne Schicht des Materials mit einem Klebeband von einem Kristall ablösten.

In den letzten dreizehn Jahren sind ihre Prozesse erheblich gereift, nicht zuletzt dank der Bemühungen von Guilherme Migliato Marega. "Die Qualität des Materials, das wir aufbringen können, war ausschlaggebend dafür, dass wir von einem Transistor auf über tausend anwachsen konnten. Nach einer langen Prozessoptimierung sind wir nun in der Lage, ganze Siliziumwafer mit einer einheitlichen homogenen MoS2-Schicht zu produzieren. Damit können wir Werkzeuge verwenden, die in der Industrie üblich sind, um integrierte Schaltkreise am Computer zu entwerfen und diese Entwürfe in physische Schaltkreise umzusetzen - die Voraussetzung für die Massenfertigung", sagt Andras Kis.

Wiederbelebung der europäischen Chipfertigung

Über den rein wissenschaftlichen Wert hinaus ist der Wissenschaftler der Ansicht, dass dieses Ergebnis die Bedeutung einer engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union aufzeigt, insbesondere im Zusammenhang mit der EU-Halbleiterverordnung, die die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit des Alten Kontinents im Bereich der Halbleitertechnologien und -anwendungen stärken soll. "Die Finanzierung aus der Europäischen Union war für dieses und frühere Projekte, einschliesslich des Projekts zum ersten MoS2-Transistor, von entscheidender Bedeutung, was seine Bedeutung für die Schweiz unterstreicht", betont er.

"Das Projekt beweist auch, dass die Europäische Union, die versucht, die Herstellung elektronischer Produkte wiederzubeleben, von den in der Schweiz unternommenen Arbeiten profitieren kann. Anstatt im gleichen Wettbewerb gegen alle anderen Akteure anzutreten, könnte sich die EU beispielsweise auf die Entwicklung von Verarbeitungsarchitekturen, die nicht auf dem Von-Neumann-Prinzip beruhen, für KI-Beschleuniger und andere neu entstehende Anwendungen konzentrieren. Indem er die Konturen seines eigenen Wettbewerbs entwirft, könnte unser Kontinent einen Vorsprung gewinnen und sich in Zukunft eine Spitzenposition sichern", so seine Schlussfolgerung.

Referenzen

Marega, G. M., Ji, H. G., Wang, Z., Pasquale, G., Tripathi, M., Radenovic, A., & Kis, A. (2023). Large-Scale Integrated Vector-Matrix Multiplication Processor Based on Monolayer MoS2. Nature Electronics. DOI: http://dx.doi.org/10.1­038/s41928­’023 -01064-1