Jüngste Fortschritte ermöglichen es, Bilder von den Neuronen sich bewegender Tiere zu erhalten. Um die Aktivität des neuronalen Schaltkreises zu entschlüsseln, müssen diese abgebildeten Neuronen jedoch von einem Computer identifiziert und nachverfolgt werden. Dies wird besonders schwierig, wenn sich das Gehirn selbst innerhalb des flexiblen Körpers eines Organismus bewegt und verformt, z. B. bei einem Wurm. Bisher fehlte der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein geeignetes Werkzeug, um dieses Problem zu lösen.
Nun hat ein Team von Wissenschaftlern der EPFL und der Harvard University eine innovative KI-Methode entwickelt, um die Neuronen von sich bewegenden und deformierten Tieren zu verfolgen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Methods veröffentlicht und von Sahand Jamal Rahi von der Fakultät für Grundlagenwissenschaften der EPFL geleitet.
Diese neue Methode basiert auf einem Convolutive Neural Network (CNN). Dabei handelt es sich um eine Art von KI, die darauf trainiert wird, Muster in Bildern zu erkennen und zu verstehen. Dazu gehört ein Prozess namens "Faltung", der kleine Teile des Bildes wie Ränder, Farben oder Formen auf einmal untersucht und dann all diese Informationen kombiniert, um ihnen eine Bedeutung zu geben und Objekte oder Muster zu identifizieren.
Das Problem ist, dass zur Identifizierung und Verfolgung von Neuronen während eines Videos des Gehirns eines Tieres eine große Anzahl von Bildern von Hand annotiert werden muss, da das Tier aufgrund der vielen Verformungen seines Körpers im Laufe der Sekunden sehr unterschiedlich aussieht. Aufgrund der unterschiedlichen Körperhaltungen des Tieres kann es schwierig sein, eine ausreichende Anzahl von Annotationen manuell zu erstellen, um einen CNN zu trainieren.
Um dem entgegenzuwirken, entwickelten die Forscherinnen und Forscher einen verbesserten CNN mit "gezielter Augmentation". Diese innovative Technik synthetisiert automatisch zuverlässige Referenzannotationen aus einem begrenzten Satz manueller Annotationen. Das Ergebnis ist, dass der CNN effektiv die internen Verformungen des Gehirns lernt und diese dann nutzt, um Annotationen für neue Körperhaltungen zu erstellen, wodurch die Notwendigkeit manueller Annotationen und doppelter Überprüfungen erheblich reduziert wird.
Die neue Methode ist vielseitig und ermöglicht die Identifizierung von Neuronen, unabhängig davon, ob sie in Bildern als einzelne Punkte oder als 3D-Volumen dargestellt werden. Die Forscherinnen und Forscher testeten sie an dem Rundwurm Caenorhabditis elegans, dessen 302 Neuronen ihn zu einem weit verbreiteten Modellorganismus in der Neurowissenschaft gemacht haben.
Mithilfe des verbesserten CNN maßen die Wissenschaftler die Aktivität bestimmter Interneuronen des Wurms (die Signale zwischen den Neuronen verbinden). Sie fanden heraus, dass diese komplexe Verhaltensweisen zeigen, z. B. verändern sie ihre Reaktionsmuster, wenn sie verschiedenen Reizen ausgesetzt sind, wie z. B. dem periodischen Auftreten von Gerüchen.
Das Team machte sein CNN zugänglich, indem es eine benutzerfreundliche grafische Oberfläche anbot, die die gezielte Augmentation einbezog und den Prozess zu einer vollständigen Pipeline vereinfachte, von der manuellen Annotation bis zur endgültigen Korrektur.
"Indem die neue Methode den manuellen Aufwand für die Segmentierung und Verfolgung von Neuronen drastisch reduziert, verdreifacht sie die Ausbeute der Analyse im Vergleich zur vollständigen manuellen Annotation", sagt Rahi. Dieser Fortschritt könnte die Forschung im Bereich der Hirnbildgebung beschleunigen und zu einem besseren Verständnis der neuronalen Schaltkreise und Verhaltensweisen führen."
Weitere Mitwirkende
EPFL
Helmut-Horten-Stiftung
Swiss Data Science Center