Wissenschaftler der Universität Genf haben herausgefunden, wie Hefezellen physikalische Belastungen auf die Membranen, die sie schützen, erkennen.
Zellmembranen spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionalität von Zellen. Die Mechanismen, mit denen sie diese Funktionen erfüllen, sind jedoch noch nicht alle verstanden. Wissenschaftler der Universität Genf , in Zusammenarbeit mit dem Institut für Strukturbiologie in Grenoble (IBS) und der Universität Freiburg (UNIFR), haben mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie beobachtet, wie die Lipide und Proteine der Plasmamembran interagieren und auf mechanischen Stress reagieren. Die Arbeit zeigt, dass je nach Bedingungen kleine Membranregionen verschiedene Lipide stabilisieren können, um spezifische Zellreaktionen auszulösen. Diese in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Entdeckungen bestätigen die Existenz gut organisierter Lipiddomänen und beginnen, ihre Rolle für das Überleben von Zellen zu enthüllen.
Die Zellen sind von einer Membran - der Plasmamembran - umgeben, die als physische Barriere dient, aber formbar sein muss. Diese Eigenschaften werden von den Membranbausteinen - Lipiden und Proteinen - verliehen, deren molekulare Organisation sich je nach äußerer Umgebung ändert. Diese Dynamik ist für die Funktion der Membran von entscheidender Bedeutung, muss aber fein abgestimmt werden, damit die Membran weder zu straff noch zu weich wird. Die Art und Weise, wie Zellen Veränderungen in den biophysikalischen Eigenschaften der Plasmamembran wahrnehmen, würde Mikrobereiche der Membran - bekannt als Mikrodomänen - einbeziehen, die einen spezifischen Lipid- und Proteininhalt und eine spezifische Organisation aufweisen.
Hochauflösende Kryo-Elektronenmikroskopie
Das Team von Robbie Loewith, ordentlicher Professor am Departement für Molekular- und Zellbiologie der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf, interessiert sich dafür, wie die Bestandteile der Plasmamembran miteinander interagieren, damit die biophysikalischen Eigenschaften der Membran für das Wachstum und Überleben der Zellen optimal bleiben.
Bisher war es uns mit den verfügbaren Techniken nicht möglich, die Lipide in ihrer natürlichen Umgebung innerhalb der Membranen zu untersuchen. Dank des Dubochet Center for Imaging (DCI) der Universitäten Genf, Lausanne, Bern und der EPFL konnten wir diese Herausforderung mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie bewältigen’, erklärt Robbie Loewith. Mit dieser Technik können Proben bei -200°C eingefroren werden, um die Membranen in ihrem nativen Zustand einzufangen, die anschließend
unter dem Elektronenmikroskop beobachtet werden können.
Dies ist ein echter Durchbruch beim Verständnis der Funktionsweise der Plasmamembran.
Die Wissenschaftler verwendeten die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), die in vielen Forschungslabors als Modellorganismus dient, da sie sehr einfach zu kultivieren und genetisch zu manipulieren ist. Darüber hinaus ähneln die meisten seiner grundlegenden Zellprozesse denen höherer Organismen. Diese Studie konzentrierte sich auf die Eisosomen, bei denen es sich um spezifische Membranmikrodomänen handelt, die um ein Netzwerk von Proteinen herum organisiert sind. Diese Eisosomen wären in der Lage, Proteine und Lipide zu sequestrieren oder freizusetzen, um den Zellen zu helfen, Membranschäden zu widerstehen und/oder sie zu signalisieren, und zwar nach bislang unbekannten Prozessen.
’Zum ersten Mal ist es uns gelungen, Isosomen, die Lipide der Plasmamembran enthalten, in ihrem nativen Zustand zu reinigen und zu beobachten. Das ist ein echter Durchbruch, um ihre Funktionsweise besser zu verstehen’, erklärt Markku Hakala, Postdoktorand am Departement für Biochemie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf und Koautor der Studie.
Ein mechanisches Signal in ein chemisches Signal umwandeln
Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie beobachteten die Wissenschaftler, dass die Lipidorganisation in diesen Mikrodomänen als Reaktion auf mechanischen Stress verändert wird. ’Wir haben herausgefunden, dass wenn das Proteinnetzwerk des Eisosoms gedehnt wird - z.B. durch mechanischen Druck - die komplexe Anordnung der Lipide in den Mikrodomänen verändert wird. Diese Neuordnung der Lipide ermöglicht wahrscheinlich die Freisetzung von sequestrierten Signalmolekülen, um Mechanismen der Stressanpassung auszulösen. Unsere Studie enthüllt einen molekularen Mechanismus, durch den mechanischer Stress über Protein-Lipid-Wechselwirkungen mit bisher ungekannter Präzision in biochemische Signale umgewandelt werden kann’, schwärmt Jennifer Kefauver, Postdoktorandin am Departement für Molekular- und Zellbiologie und Erstautorin der Studie.
Diese Arbeiten eröffnen zahlreiche Möglichkeiten zur Untersuchung der entscheidenden Rolle der Membrankompartimentierung - d. h. der Verschiebung von Proteinen und Lipiden innerhalb der Membranen zur Bildung von Subkompartimenten, den sogenannten Mikrodomänen. Dieser Mechanismus ermöglicht es den Zellen, spezialisierte biochemische Funktionen zu erfüllen, insbesondere die Aktivierung der zellulären Kommunikationswege als Reaktion auf die verschiedenen Stressfaktoren, denen die Zellen ausgesetzt sein können.
24. Jul. 2024