Den Tanz der Elektronen und Wassermoleküle entschlüsseln

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Den Tanz der Elektronen und Wassermoleküle entschlüsseln
Im Rahmen eines Projekts der EPFL ist es Wissenschaftlern gelungen, den komplexen Tanz der Elektronen in Wasser zu entschlüsseln. Dieser bedeutende Durchbruch könnte der erste Schritt zur Verbesserung der Energieumwandlungstechnologien sein.

Wasser ist die Wiege des Lebens auf der Erde und nicht nur ein passives Element, sondern ein aktiver Teil des chemischen Balletts des Lebens. Das Verhalten der Elektronen spielt dabei eine zentrale Rolle, insbesondere bei einem Prozess, der als Lösungsmittel-Ladungstransfer (LLTT) bezeichnet wird.

CTTS ist vergleichbar mit einem mikroskopischen Tanz, bei dem ein Elektron aus einem in Wasser gelösten Element, z. B. Salz, entweicht und sich mit dem Wasser verbindet. Aus diesem Prozess entsteht ein "hydratisiertes" Elektron, das ein unverzichtbares Element in vielen Wasserreaktionen ist, wie z. B. in denen, die das Leben hervorbringen. CTTS ist daher unerlässlich, um die Bewegung von Elektronen in Lösungen zu verstehen.

In einer aktuellen Studie der EPFL haben sich die Forscher Jinggang Lan, Majed Chergui und Alfredo Pasquarello mit den komplexen Wechselwirkungen zwischen Elektronen und ihrer Lösungsmittelumgebung befasst. Ihre Forschungsarbeiten wurden an der EPFL entwickelt und hauptsächlich dort durchgeführt, wobei Jinggang Lan im Rahmen eines Postdoktorandenstipendiums am Simons Center for Computational Physical Chemistry der New York University abschließende Beiträge leistete.

Bei der Untersuchung des CTTS-Prozesses haben die Forscher die dynamische Wechselwirkung zwischen dem entweichenden Elektron und den polarisierenden Wassermolekülen in seiner Umgebung sorgfältig visualisiert, was zu einem besseren Verständnis dieser komplexen Wechselwirkungen führt.

Das Team verwendete in Wasser gelöstes Iodid ("wässriges Iodid"), da es so einfacher ist, sich die Bewegung der Elektronen in das umgebende Wasser vorzustellen. Iodid hat, wie Tafelsalz, keine komplexen inneren Bewegungen, was seine Untersuchung vereinfacht. Die Wissenschaftler konnten so beobachten, wie Iodid schnell ein Elektron an das umgebende Wasser abgibt, ein Prozess, der durch die Anordnung der Wassermoleküle um das Iodid herum beeinflusst wird.

Um den CTTS-Prozess zu untersuchen, griffen die Forscher auf die ab initio-Molekulardynamik zurück. Dabei handelt es sich um eine ausgeklügelte Technik, die das Verhalten von Molekülen am Computer simuliert, indem sie die atomaren Wechselwirkungen und Bewegungen auf der Grundlage der grundlegenden physikalischen Prinzipien der Quantenmechanik berechnet. Die lateinische Redewendung "ab initio " bedeutet "von Anfang an". Dies weist darauf hin, dass diese Methode von grundlegenden physikalischen Prinzipien ausgeht und es Wissenschaftlern ermöglicht, die Entwicklung von Molekülen und Materialien im Laufe der Zeit genau vorherzusagen, ohne sich auf empirische Daten für die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen verlassen zu müssen.

Durch die Kombination des ab-initio-Ansatzes mit ausgefeilten Techniken des maschinellen Lernens konnten die Wissenschaftler den CTTS-Prozess in einem nie dagewesenen Detailgrad visualisieren und analysieren, indem sie den Weg eines Elektrons von der Bindung an ein Iodidion bis zur Solvatation, d.h. der Umkreisung und Stabilisierung durch Wassermoleküle, verfolgten.

Die Studie ergab, dass CTTS eine Reihe verschiedener Zustände beinhaltet, die jeweils durch den Abstand zwischen dem Elektron und dem Iodkern charakterisiert sind: von der engen Verbindung mit dem Iodatom (Kontaktpaarzustand) über die Trennung im Lösungsmittel (lösungsmittelgetrennter Zustand) bis hin zur vollständigen Solvatation als hydratisiertes Elektron.

"Der Fortschritt liegt vor allem auf fundamentaler Ebene", sagt Alfredo Pasquarello. Der beschriebene Mechanismus beinhaltet eine subtile Interaktion zwischen elektronischer Anregung und ionischen Polarisationseffekten, die eine Reihe von Konfigurationen hervorbringt, wie unsere Simulationen zeigen."

Die Aufklärung des CTTS könnte aber auch Auswirkungen auf eine breite Palette von Anwendungen haben, bei denen Ladungs- und Energieübertragungsreaktionen eine Rolle spielen. Zu verstehen, wie Elektronen auf einer so grundlegenden Ebene mit ihrer Umgebung interagieren, könnte entscheidend sein, um effizientere Systeme zur Umwandlung von Sonnenenergie zu entwickeln, Photokatalysetechniken zu verbessern und sogar unser Wissen über Materialwissenschaften und Umweltprozesse zu erweitern.

"Wenn man den Ladungstransfer zum Lösungsmittel versteht, kann man das Verhalten von Energie und Elektronen in chemischen Reaktionen besser nachvollziehen, was sich auf viele natürliche biologische Aktivitäten und die zur Energieumwandlung eingesetzte Technologie auswirkt", sagt Jinggang Lan.

Swiss National Supercomputing Centre (CSCS)

Postdoc-Stipendium der Simons Foundation

Referenzen

Jinggang Lan, Majed Chergui, Alfredo Pasquarello. Charge Transfer to Solvent Dynamics in Aqueous Iodide. Nature Communications 21 March 2024. DOI: 10.1038/s41467’024 -46772-0.