Buchvernissage: Die Expeditionen der Gebrüder Schlagintweit

Die Gebrüder Schlagintweit waren bedeutende deutsche Naturforscher und Sammler des 19. Jahrhunderts. Moritz von Brescius vom Historischen Institut der Universität Bern verfolgt in seiner neuesten Publikation die faszinierenden Karrieren der drei Brüder. An der Buchvernissage am Mittwoch, 15. Mai 2019, erzählt er, welche Bedeutung die aus Asien mitgebrachten Sammlungen von Artefakten für die deutschen Wissenschaften haben.

Nirgends auf der Welt gab es im langen neunzehnten Jahrhundert (1780-1914) mehr wissenschaftliche Experten und geschulte Reisende im Dienste fremder Mächte als in den deutschsprachigen Regionen Mitteleuropas: Der deutsche Beitrag zur Geschichte des europäischen Kolonialismus bestand wesentlich in der Entfaltung und Aussendung ’geistig-kultureller Produktivkräfte’ zur Erforschung, Durchdringung und Aneignung fremder Welten. In seiner neuen Publikation ’German Science in the Age of Empire: Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers’ beschäftigt sich Moritz von Brescius vom Historischen Institut der Universität Bern mit einem der wichtigsten Explorationsvorhaben des 19. Jahrhunderts: Die Expeditionen der drei Münchner Brüder Schlagintweit durch Britisch-Indien und Zentralasien im Dienste der britischen Kolonialherren in Indien und des preussischen Königs.

Einzigartige Sammlung aus Asien

Die Asien-Expedition der Gebrüder Schlagintweit führte zu einer einzigartigen Sammlung von über 40‘000 Objekten der Naturund Kulturgeschichte. Die Brüder gründeten ein heutzutage vergessenes ’Indisches Museum’ im Schloss Monbijou in Berlin, das nach ihrer Rückkehr 1857 für einige Jahre fortbestand. Alexander von Humboldt bezeichnete die dort gezeigten Artefakte als ’die wichtigste je aus Innerasien nach Europa gelangte’ Sammlung. Die Schlagintweit-Sammlungen werden auch im Humboldt Forum Berlin ausgestellt werden.

Politische Instrumentalisierung der Schlagintweits

Die Reisen der Schlagintweits durch teils ganz unbekanntes Gebiet endeten tragisch: Adolph Schlagintweit wurde im Sommer 1857 als vermeintlicher britischer Spion in Zentralasien gefangen genommen und geköpft. Die Geschichte der Schlagintweits wurde in den deutschen Teilstaaten politisch instrumentalisiert: Es liess sich nun argumentieren, dass das politisch fragmentierte Deutschland in Anbetracht des märtyrerhaften Blutopfers deutscher Forscher für die wissenschaftliche Erschliessung überseeischer Gebiete den Rang einer eigenständigen Kolonialmacht verdient hätte.

Von Brescius‘ Buch liefert wichtige neue Impulse zur aktuellen Debatte um koloniale Artefakte, Raubgut und Restitutionsfragen. Es zeigt, dass die deutschen Teilstaaten formal keine Kolonien brauchten, um materielle Kulturtrophäen und auch Raubgüter des europäischen Kolonialismus ins vorkoloniale Deutschland zu bringen.

Dr. Moritz von Brescius studierte an den Universitäten FU Berlin, Oxford, EHI Florenz und Cambridge. 2015 ko-kuratierte er eine Ausstellung über die Brüder Schlagintweit im Alpinen Museum München.

Gerne laden wir Sie ein zur Buchvernissage:

Dr. Moritz von Brescius:
’German Science in the Age of Empire: Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers’

Die Buchvernissage umfasst eine Einführung durch Christof Dejung (Universität Bern), eine Kommentierung des Werkes durch Rebekka Habermas (Universität Göttingen), die Präsentation der Forschungsergebnisse durch Dr. Moritz von Brescius sowie eine Publikumsdiskussion. Im Anschluss wird es einen öffentlichen Empfang geben.

1 Entering the Company Service: Anglo- German Networks and the Schlagintweit Mission to Asia

2 Imperial Recruitment and Transnational Science in India

3 An Ingenious Management of Patronage Communities

4 Making Science in the Field: A Eurasian Expedition on the Move

5 The Inner Life of a ‘European’ Expedition: Cultural Encounters and Multiple Hierarchies

6 Contested Exploration and the Indian Rebellion: The Fateful Year 1857

7 The Schlagintweit Collections, India Museums and the Tensions of German Museology

8 Asymmetric Reputations: Memories of Exploration and German Colonial Enterprise

Conclusion