Einstein Lectures: Religion braucht keinen Gott

Der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin (80) beim Auftakt der Einstein Lectur
Der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin (80) beim Auftakt der Einstein Lectures zum Thema «Religion without God». Bild: Annette Boutellier.

Religiosität ist unabhängig von einem Gott: Dies war das Fazit der ersten Einstein-Vorlesung des renommierten Philosophen Ronald Dworkin. Sie war der Auftakt zu zwei weiteren brisanten Vorlesungen, die sich um Werte, Religiosität, Recht und Politik drehen.

Im 16. und 17. Jahrhundert gab es die Glaubenskriege, heute herrscht vor allem der Krieg des Säkularen gegen das Religiöse – mit zunehmender Bedeutung für die Politik in den USA, wie der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin in seiner ersten Einstein-Vorlesung betonte. Einerseits könne heute wohl kaum ein bekennender Atheist in den Vereinigten Staaten in eine machtvolle Position gewählt werden, andererseits seien Bücher, die Religion als böse und schädliche Macht anprangern, internationale Bestseller. Solche Bücher aber liessen Millionen von Menschen «draussen in der Kälte sitzen», sagte Dworkin. Diese Menschen würden sich selber als religiös bezeichnen, ohne an einen Gott zu glauben, wohl aber an «etwas Höheres» – so wie Albert Einstein in seinem berühmten Glaubensbekenntnis von 1932: «Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös». Obwohl Atheist, wollte Einstein auf den Begriff «religiös» nicht verzichten – dieser habe sein Gefühl am besten beschrieben. Auch andere Wissenschaftler hätten diese Überzeugung Einsteins geteilt und sich dagegen gewehrt, sie auf reinen Theismus zu beschränken.

Dworkin zitierte auch die Schimpansenforscherin Jane Goddall, die bei älteren männlichen Schimpansen ein «religiöses Verhalten» beschrieb: Dann nämlich, wenn die Schimpansen beim Anblick eines Wasserfalls einen tranceartigen Tanz aufführten und dabei Gefühle ausdrückten, die an die Gefühle von Ehrfurcht beim Menschen erinnerten. «Ich bin selber ein solcher Schimpanse», sagte Dworkin. «Ich stehe überwältigt vor dem Grand Canyon und bin sprachlos angesichts seiner Schönheit».

In seiner brillanten, frei vorgetragenen und humorvollen Rede zeigte sich Dworkin als Rhetoriker alter Schule, der Gegenargument auf Argument folgen liess. Seine Position: Es gibt keine zwingende Verbindung zwischen Gott und den dem Menschen innewohnenden, moralischen und ethischen Werten oder seiner Glorifizierung des Universums. Diese seien objektiv und allgemeingültig. Der Glaube an Gott sei nur eine Möglichkeit religiöser Überzeugung. Dies bekräftigte Dworkin, indem er auf fünf oft vorgetragene Einwände gegen seine Position Stellung nahm.

Laut Dworkin habe jeder die Verantwortung, aus seinem Leben das Beste zu machen, ein Leben zum Besten anderer zu führen und es dadurch erfolgreich zu machen – unabhängig von der Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes. Dworkin plädierte dafür, sich mit solchen Glaubensfragen auseinandersetzen, unsere Überzeugungen zu testen, damit sie wirklich zu unseren und damit authentisch würden.

In den weiteren Vorträgen im Rahmen der «Einstein-Lectures» wird Ronald Dworkin sich Einsteins Ergriffenheit dem Universum gegenüber sowie den politischen und moralischen Konsequenzen einer Religion ohne Gott widmen – vor allem in Bezug auf die Religionsfreiheit und der Anwendung von Menschenrechten.

«Faith and Physics», Dienstag 13. Dezember um 17.15 Uhr im Hörsaal 120
«Religion without God», Mittwoch 14. Dezember um 19.30 Uhr in der Aula
Hauptgebäude der Universität Bern, Hochschulstrasse 4, 3012 Bern

Podcast:
Die Vorträge von Ronald Dworkin werden ab 14.12. auch als Podcast verfügbar sein.