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Aerogel: Wim Malfait demonstriert mit seiner Hand, wie wasserabweisend ein Coati
Aerogel: Wim Malfait demonstriert mit seiner Hand, wie wasserabweisend ein Coating mit Aerogel sein kann. Bild: Empa

Der gebürtige Belgier Wim Malfait ist ausgebildeter Geologe und suchte im Auftrag einer Bergbaugesellschaft einst nach Gold. Heute leitet er die Abteilung «Building Energy Materials and Components», die unter anderem superleichte Aerogel-Dämmstoffe und Materialien mit Wärmetauschfähigkeit entwickelt. Energiesparen als gesellschaftliche Aufgabe - das ist ihm wichtiger als Gold.

Als Jugendlicher hat Wim Malfait in den Ferien gerne Steine gesammelt und als Memento mitgenommen. Besonders Vulkanstein hat den jungen Wim Malfait fasziniert. Dabei fand er schon damals die Materialseite interessant. Nach den abschreckenden Vorbereitungen auf die Matheolympiade als Jugendlicher folgte Wim Malfait lieber seinem Hobby und schrieb sich für ein Geologie-Studium an der Universität Ghent ein. Im Masterprogramm landete er prompt in der Vulkanforschung. Mit seinen Mitstudierenden hat Wim Malfait dort unter den gleichen Bedingungen wie im Erdinnen an Magma geforscht - also unter hohem Druck und bei Temperaturen bis 1300 Grad Celsius. Aus dieser Zeit stammt sein Fachwissen im Bereich Silikatschmelze und im Umgang mit Messgeräten, insbesondere der NMR-Spektroskopie.

Nach dem Master machte Wim Malfait eine Verschnaufpause in der Privatwirtschaft. Abseits jeglicher Zivilisation arbeitete Wim Malfait für ein Bergbau-Unternehmen, das nach Gold suchte. Der harsche Umgang mit den Menschen, und der Mangel von gesellschaftlichem Nutzen bei der Jagd nach Gold («Wenn es doch wenigstens Kupfer gewesen wäre...») liessen den jungen Geologen aber schnell das Weite suchen. Was er mitgenommen hat, ist das Wissen, dass Erfolg durch kollektive Zielorientiertheit forciert werden kann. Danach arbeitete Wim Malfait noch kurz in der Bodensanierung, wo die rigiden Vorgaben wie Überspitzter Formalismus auf ihn wirkten. Also verschlug es ihn zurück in die Forschung.

Eine Doktorandenstelle zog Wim Malfait dann zur ETH Zürich, wo er weiter im Bereich Silikatschmelze forschte. Mit seinem damaligen Doktorvater hat Wim Malfait seinen eigenen Aussagen nach das grosse Los gezogen. «Es war das ideale Verhältnis zwischen aktivem Interesse und passivem ­Raum-lassen», sagt Wim Malfait heute.

An die Empa kam er von der ­­ETH ­Zürich über ein Forschungsprojekt in der Abteilung «Building Energy Materials and Components». Beim damaligen Abteilungsleiter Matthias Köbel hat Wim Malfait ein ähnliches Verhältnis zwischen Unterstützung und Freiheit gefunden. Und sein Wissen über Metall-Glas-Verbunde hat ihn zu einem wertvollen Mitarbeiter für die Abteilung gemacht. Durch die Expertise mit Silikat-Schmelze konnte Wim Malfait zur Entwicklung eines neuen kostengünstigeren Prozesses zur Herstellung von Aerogel beitragen. Nach etwas mehr als einem Jahr an der Empa wurde Wim Malfait zum Gruppenleiter. Und als Matthias Köbel sich seinem Spin-Off, der Siloxene AG, widmete und die Empa verliess, trat Wim Malfait seine Nachfolge an.

Wichtige gesellschaftliche Aufgabe

Als Abteilungsleiter hat Wim Malfait praktisch ausgelegte Ziele. Seine Mission für die Abteilung ist klar: Einen Beitrag leisten, damit der Energieverbrauch von Gebäuden abnimmt. Dabei geht es nicht nur um den Schwerpunkt Dämmstoffe, sondern auch um Sorptionsmaterialien, also Materialien mit Wärmetauschfähigkeit. Für die gesamtgesellschaftliche Energiebilanz spielt das Heizen und Kühlen von Gebäuden eine wesentliche Rolle. «Für mich zeichnet sich Forschung an der Empa darüber aus, dass man einen Impact auf die Gesellschaft haben will - und haben soll.»

Mittlerweile ist die Empa, und auch die Schweiz, für Wim Malfait zur Heimat geworden. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen verbringt er zum Ausgleich so viel Freizeit wie er kann in der Natur.

Wim Malfait

Werdegang: Zunächst Umweltgeologe und Prospektor für Bodenschätze, Promotion an der ETH Zürich, danach ein Jahrzehnt Forschung an Schmelzen und Vulkanen. Seit 2013 an der Empa.

Forschung: Hauptziel ist es, den Energiebedarf fürs Heizen und fürs Kühlen von Gebäuden zu reduzieren, indem man neue Hochleistungsdämmstoffe und -sorptionsmittel entwickelt - bevorzugt auf Basis von Biomasse.

Der schnellste Weg zu Bekanntheit in akademischen Fachkreisen ist, wie Überall, die Veröffentlichung positiver Resultate. Dabei ist Wim Malfait für sein Team wichtig, dass negative Resultate keine Niederlagen darstellen. Wichtiger als der reine Erfolg sei, dass Forschende ihre eigenen Ideen verfolgen können. «Nur durch ein offenes Klima für kreative Ideen und eine ’Save to Fail’-Kultur kommen die Forschenden mit unkonventionellen Hypothesen hervor, aus denen sich ganze Abteilungen entwickeln können», sagt Wim Malfait. Darum sei es auch kein Problem, wenn sich ein Experiment - oder auch mal zwei, drei Monate Forschung - als Sackgasse erweisen. Das gelte es auch auszuhalten.

Geniessen, wenn es gut läuft

Die Wissenschaft als Karriere zu verfolgen bringt emotional gewisse Eigenheiten mit sich. Für ambitionierte Nachwuchsforschende sei nicht nur Forschungsinteresse, Durchhaltewille und eine gewisse Zielstrebigkeit wichtig, sondern auch eine gute Portion emotionale Resilienz. «Man soll geniessen, wenn es gut läuft», findet der Abteilungsleiter, «aber man sollte auch nicht bei jeder Publikation in totale Euphorie ausbrechen oder bei jedem Paper, das abgelehnt wird, in eine Depression fallen.»

Auch Messgeräte können für grosse Emotionen sorgen - und nicht nur für positive. So arbeitete Wim Malfait jahrelang mit Festkörper-MNR-Spektroskopie. Dieses Gerät hat Wim Malfait über seine gesamte Forschungslaufbahn bis heute an der Empa begleitet. «Es ist wie ein Geschwister, das ich nie haben wollte», sagt der Wissenschaftler mit einem Schmunzeln. Von harmonischer Zusammenarbeit bis zu totalem Unverständnis und Frust sei da alles dabei.

Zusammenarbeit als Erfolgsbaustein

Als eher junge Abteilung sind Malfait und sein Team auf Zusammenarbeit innerhalb und ausserhalb der Empa angewiesen. Sei dies beim Röntgen, bei der Endoskopie oder bei anderen Messungen, es gibt innerhalb der Empa einen regen Austausch von Geräten, Expertise und sogar Projektideen. Es ist eine der Gründe, warum es Wim Malfait an der Empa so gut gefällt. Der erste Reflex bei Anfragen in anderen Abteilungen sei immer: ’Ja, das sollten wir machen.’ «Meine Abteilung wird hervorragend unterstützt, von der Administration über die Technik bis hin zur Sonderanfertigung von Teilen.», sagt Malfait.

Wim Malfait gefällt es also ausgesprochen an der Empa - und er ist beruflich wie privat angekommen. Als Abteilungsleiter ist Wim Malfait zwar nicht mehr ganz so frei, wie als Forschender. Er kann sich nicht mehr aus reiner Neugier treiben lassen, und will die Ziele der Abteilung - das Entwickeln und Verbessern von Dämmund Sorptionsmaterialien zum Wohle der Gesellschaft - nicht aus den Augen verlieren. Aber, was Wim Malfait im Gegenzug für den Verlust an Freiheitsgraden erhält, ist das Wissen, dass man gesellschaftlich relevante Forschung betreibt und die kommenden Generation von Forschenden in ihrer Entwicklung unterstützt. Und dieses Wissen ist eine ganz eigene Genugtuung.

Wim Malfait’s Team

Die Abteilung «Building Energy Materials and Components» umfasst etwa 25 Forschende und arbeitet unter anderem an Hochleistungsdämmstoffen. Aerogel-Dämmstoffe für Gebäude bieten eine äusserst effiziente Wärmeisolation und hätten ein gewaltiges Wachstumspotenzial auf dem Markt. Aber aufgrund der hohen Kosten wird Aerogel nie herkömmliche Materialien wie Mineralwolle ersetzen können. Eine günstigere Lösung, die nachhaltig ist, muss also her. Denn nur durch den Schritt von der Nische zur Masse können Forschungsergebnisse ihre volle Wirkung entfalten. Das Team von Wim Malfait sucht daher nach ressourcenschonenden Dämmstoffen aus Bioabfällen, die eine ähnliche Dämmleistung wie herkömmliche Materialien erbringen.