6050 ETH-Abschlüsse, Top-Platzierungen in den internationalen Hochschulrankings und 43 neue Spin-offs: Die ETH Zürich blickt in ihrem heute publizierten Geschäftsbericht auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2023 zurück. Im Berichtsjahr hat sie zudem 31 neue Professorinnen und Professoren berufen - erstmals mehr Frauen (58%) als Männer. Neben ihrem Grundauftrag in Lehre, Forschung und Wissenstransfer hat sie unter anderem zwei neue nationale Forschungsinitiativen lanciert: Mit der «Coalition for Green Energy & Storage» will die ETH Zürich zusammen mit der EPFL und Partnern aus Politik, Wissenschaft und Industrie Lösungen für die Speicherung und den Transport erneuerbarer Energieträger entwickeln. Die zweite Initiative, die «Swiss AI»-Initiative, verfolgt das Ziel, die Schweiz als weltweit führenden Standort für die Entwicklung und Nutzung einer transparenten und vertrauenswürdigen Künstlichen Intelligenz zu positionieren.
Ende 2025 gehen die freien Reserven aus
Finanziell stellte das Jahr 2023 die ETH Zürich vor grosse Herausforderungen. Denn die Studierendenzahlen wachsen weiter stark an, die Teuerung wird dem ETH-Bereich nicht ausgeglichen und die Sparvorgaben des Bundes belasten zusätzlich. Dank interner Kostendisziplin, erfreulicher Entwicklung von Donationen und einem positiven Finanzergebnis schloss die ETH Zürich das Jahr 2023 mit einem Überschuss von 50 Millionen Franken ab (Vorjahr: -73 Millionen Franken). Trotz dieses positiven Ergebnisses nimmt die Liquidität der ETH Zürich jedoch seit 2020 kontinuierlich ab, da der «Free Cash Flow» in diesem Zeitraum stets negativ ausgefallen ist. Dies bedeutet, dass die ETH Zürich den Liquiditätsbedarf für Investitionen und Betrieb nicht vollständig aus Bundesbeiträgen und Drittmitteleinnahmen decken kann. «Wir leben im Moment von den frei verfügbaren Reserven, die aber Ende 2025 vollständig aufgebraucht sein werden», erklärt Stefan Spiegel, Vizepräsident für Finanzen und Controlling. «Die ETH Zürich braucht zwingend Reserven, um auch künftig grössere Investitionen stemmen und Schwankungen in ihren Ausgaben ausgleichen zu können.»Bundesbeitrag hält nicht mit Studierendenzahlen Schritt
Ende 2023 studierten über 25’000 Personen an der ETH Zürich. Damit hat sich die Anzahl Studierender in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt, während der Finanzierungsbeitrag des Bundes lediglich um rund 50 Prozent zugenommen hat (siehe Abbildung 1). Nach mehreren Verzichtsplanungen in den letzten Jahren im Umfang von 230 (2017-2020) bzw. 300 Millionen Franken (2021-2024) geht die ETH Zürich in ihren Prognosen davon aus, dass sich diese Schere weiter öffnen wird. «In der Vergangenheit konnten wir diese Entwicklung durch höhere Effizienz, Verschiebung grosser Bauprojekte und ein langsameres Wachstum bei den Professuren kompensieren», sagt ETH-Präsident, Joël Mesot. «Nun sind wir aber an einem Punkt angelangt, wo wir das anhaltende Studierendenwachstum bei real betrachtet stagnierendem Budget nicht mehr ohne Qualitätseinbussen in Lehre und Forschung meistern können.»BFI-Botschaft 2025-2028 zwingt zur Prüfung einschneidender Massnahmen
Die ETH Zürich ist sich der angespannten finanziellen Lage des Bundes bewusst und ist bereit, ihren Beitrag zur Bekämpfung der Defizite zu leisten. So wird sie die zusätzlich auferlegten Sparvorgaben für die Jahre 2024 und 2025 (rund 60 bis 80 Millionen Franken) durch eine im vergangenen Jahr eingeleitete Verzichtsplanung und den Abbau der noch frei verfügbaren Reserven erfüllen. Klar ist aber, dass sie mit dem im Rahmen der BFI-Botschaft in Aussicht gestellten jährlichen Budgetwachstum von 1.2% ohne Gegenmassnahmen mittelfristig in finanzielle Schieflage geraten wird.Die ETH Zürich prüft daher weitere Massnahmen wie:
- Beschränkung des Studierendenwachstums z.B. Über die Einführung einer Studienplatzbeschränkung
- Gezielter Anstellungsstopp - auch in Forschung & Lehre
- Einstellung ganzer Forschungsbereiche und Studiengänge
- Reduktion bzw. leistungsgerechte Verrechnung von Dienstleistungen an den Bund (z.B. Erdbebendienst, Hochleistungsrechner, Cybersicherheit)
«Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen wie beispielsweise dem akuten Fachkräftemangel erachte ich einschneidende Massnahmen wie diese als einen zu hohen Preis für kurzfristige Sparmassnahmen», kommentiert Joël Mesot. «Deshalb sehe ich es als unsere Pflicht aufzuzeigen, welche Konsequenzen die aktuelle BFI-Botschaft für unsere Hochschule haben wird.» Die damit verbundenen finanziellen Unsicherheiten gefährden die Top-Position der ETH Zürich und damit den Beitrag der Hochschule zur Innovationsfähigkeit der Schweiz. Um die heutige Qualität und den aktuellen Leistungsumfang auch bei weiterhin steigenden Studierendenzahlen aufrecht zu erhalten, bräuchte es nach Ansicht der ETH Zürich ein jährliches reales Budgetwachstum von 2.5%.