Mit zunehmenden Temperaturen, vermehrten Hitzewellen und weniger Schneefall beschleunigt sich die Gletscherschmelze. Ob wir bis 2100 noch Wasserreserven in Form von gefrorenem Eis haben, hängt stark von den Bemühungen zur Eindämmung der Klimakrise ab.
Der Rückzug der Gletscher ist die wohl auffälligste Folge der Klimaerwärmung. Für eine Weile wird das Schmelzwasser die Flüsse im Sommer noch füllen - aber Ende 21. Jahrhunderts wird in den Alpen das meiste Eis geschmolzen sein. Wasser wird besonders im Sommer knapper, was Herausforderungen für die Trinkwasserversorgung und die Landwirtschaft bringt. Die Gletscherschmelze erhöht zudem das Risiko für Naturgefahrenereignisse. So könnte es vorübergehend mehr Ausbrüche von Gletscherseen und Eislawinen geben. Im globalen Massstab fliesst das geschmolzene Eis in die Meere und trägt zum Anstieg des Meeresspiegels und gefluteten Küstengebieten bei.
Die Glaziologen und Glaziologinnen der WSL schaffen wichtiges Grundlagenwissen und tragen mit ihrer Arbeit zur Vorbereitung auf diese Herausforderungen bei. Sie dokumentieren die langfristigen Gletscherveränderungen in den Schweizer Alpen (Messnetz GLAMOS). Sie untersuchen die Prozesse unter dem Gletscher (Projekt LEAD) und prognostizieren die Wasserverfügbarkeit - in der Schweiz (Projekt FORHYCS-ICE) wie in Ländern mit kritischen Wasserressourcen etwa in der Himalaya-Region (Projekt ETERNALHIMA). Sie untersuchen neue Risiken wie unter dem Eis gestaute Wassertaschen, die plötzliche Flutwellen verursachen können (Projekt DIWING). An diesen und mehr Projekten arbeitet die WSL im Rahmen der gemeinsamen Professur mit der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich.
Die Forschung der Glaziologen und Glaziologinnen beleuchtet das Schwinden des einst ewigen Eises. Dabei blicken sie sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft:
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts schmilzt weltweit das Gletschereis - und dies immer schneller. 2021 hat ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der WSL erstmals das globale Ausmass der Gletscherschmelze für alle 220’000 Gletscher ausserhalb der Eisschilde Grönlands und der Antarktis untersucht. Die Zahlen sind unvorstellbar: Zwischen 2000 und 2019 büssten die Gletscher weltweit pro Jahr im Durchschnitt 267 Milliarden Tonnen Eis ein. Mit diesem Volumen hätte die Landesfläche der Schweiz alljährlich sechs Meter unter Wasser gesetzt werden können. Der Massenverlust hat sich ausserdem stark beschleunigt.
Auch die Schweiz ist in starkem Ausmass von der Gletscherschmelze betroffen. Anhand von historischen Fotos konnten WSL-Forschende das Gletschervolumen bis in die 1930er Jahre rekonstruiert werden. Der Vergleich ist ernüchternd: Bis 2016 war nur noch die Hälfte des Gletschervolumens vorhanden (zum Bildvergleich ). Und auch hier beschleunigt sich der Prozess. Zuletzt vernichteten die zwei Extremjahre 2022 und 2023 zehn Prozent des Schweizer Gletschervolumens.
Wie viel Gletschereis bis zum Ende dieses Jahrhundert Überdauert hängt von den globalen Bemühungen zur Eindämmung der Klimakrise ab. WSL-Forschende modellierten diese Szenarien. In einem Szenario mit ungebremster Investition in fossile Brennstoffe werden bis 2100 weltweit mehr als 40 Prozent des Gletschervolumens verschwinden, respektive mehr als 80 Prozent der Anzahl der Gletscher relativ zu 2015. Doch sogar wenn die Emissionen sinken und die Temperatur nur um +1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau steigt, wird ein Viertel des Eisvolumens und jeder zweite Gletscher weltweit verloren gehen.
Auch für die Alpen zeigen Modellrechnungen, dass der Volumenverlust stark von der zu erwartenden Temperaturzunahme abhängig ist. Gelingt es, die Temperaturerhöhung auf 1.5°C gegenüber vorindustrieller Zeit zu limitieren, könnten sich Alpine Gletscher auf rund einem Drittel des aktuellen Volumens stabilisieren.
Die Gletscherschmelze geht zudem mit einem schnellen, andauernden ökologischen Wandel einher. Denn der Gletscherrückzug legt grosse Flächen frei. Auf diesen Gletschervorfeldern werden laut einer WSL-Studie weltweit bis zu 2100 neue Ökosysteme entstehen, welche kälteliebenden Pflanzenund Tierarten einen Rückzugsort bieten - und dementsprechend geschützt werden sollten.
Klimawandel und... Gletscher
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