Die ETH Zürich läuft seit gut zwei Wochen im Notbetrieb. Während viele Projekte zurückgestellt wurden, hat die Corona-relevante Forschung so richtig Fahrt aufgenommen. Zahlreiche Projekte und Initiativen sollen helfen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.
Leere Vorlesungssäle, leere Flure, leere Labore - der seit dem 17. März geltende Notbetrieb an der ETH Zürich hat die notorischen Platzprobleme der Hochschule in die Stuben der Mitarbeitenden und die Zimmer der Studierenden verlagert. Nur wer noch wirklich muss, darf die Gebäude betreten, alle anderen arbeiten von zuhause aus. Dennoch wurde auch im Forschungsbetrieb nicht einfach alle Stecker gezogen und Lampen gelöscht. Zentrale Forschungsinfrastrukturen, wie beispielsweise das Swiss National Supercomputing Center in Lugano oder der Schweizerische Erbebendienst, müssen weiterbetrieben und Labortiere gepflegt werden. Hinzu kommt die COVID-19-bezogene Forschung, die natürlich nicht abgebrochen, sondern intensiviert wird.
Während beispielsweise Mathematiker und Statistikexpertinnen von zu Hause aus weiterarbeiten und damit z.B. den Bund oder die Kantone unterstützen können, sind andere Forschende auf ihre Laborinfrastruktur angewiesen. Entsprechend wurden die Forschenden dazu aufgerufen, bis spätestens am vorletzten Montag Ideen für mögliche «Corona-Projekte» einzureichen. Bedingung: Die Projekte müssen hinsichtlich der Corona-Pandemie einen unmittelbaren Nutzen aufweisen und zeitnah umsetzbar sein.
36 Eingaben in knapp fünf Tagen
Uwe Sauer, Professor am Departement Biologie und Vorsitzender der ETH-Forschungskommission, nahm die Anträge entgegen und prüfte sie mit Unterstützung eines kleinen Teams von Fachleuten. «Dank meiner Tätigkeit für die ETH-Forschungskommission weiss ich über die Forschung an unserer Hochschule gut Bescheid», meint er. Dennoch hätten ihn die vielen kreativen Vorschläge überrascht, die seine Kolleginnen und Kollegen in knapp fünf Tagen zusammenstellten. 36 Projekte aus den verschiedensten Fachbereichen wurden eingereicht, davon rund ein Drittel aus dem Ingenieurwesen und zwei Drittel aus den Life Sciences.
Nur eine Woche später waren bereits 22 Projekte genehmigt. Darunter solche, die bereits öffentlich bekannt gemacht wurden. Tanja Stadler beispielsweise, Professorin für Computational Biology, analysiert anhand des Erbguts von Coronaviren deren Herkunft und Verbreitungswege. So kann etwa die Wirksamkeit getroffener Präventionsmassnahmen evaluiert und festgestellt werden, ob eine Person von «inländischen» Viren infiziert wurde oder ob eine Neuinfektion von aussen stattfand.
Schnelle und wirkungsvolle Hilfe
Die Professoren Emma Slack-Wetter vom Departement für Gesundheitswissenschaften und Technik und Markus Aebi vom Institut für Mikrobiologie wiederum arbeiten an der Optimierung eines COVID-19-Impfstoffs, der Schutz gegen ein breites Spektrum von Corona-Viren bieten soll und somit auch gegen künftige Varianten wirksam sein soll. Andere Teams arbeiten an praktischen und rasch verfügbaren Hilfsmitteln in Pflege und Prävention. Dazu gehören kostengünstige Ventilatoren zur Beatmung von Patientinnen und Patienten, antiviralen Materialien zur Behandlung von glatten Oberflächen wie Türklinken oder Membrane, mit denen der Sauerstoffgehalt in der Luft auf über 50 Prozent angereichert werden kann. «Das sind effiziente Lösungen, die auch in weniger reichen Ländern Linderung bringen können», erklärt Uwe Sauer.
Alles andere zurückgestellt
In der aktuellen Situation sei es wichtig, dass alle die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung unterstützen, ist Detlef Günther überzeugt. Als Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen an der ETH ist er verantwortlich für die Forschung im Notbetrieb. «Für die ETH heisst das: gemeinsam Lösungen finden für die vor uns liegenden Probleme und konstruktiv mitarbeiten.» Er sei sehr erfreut, wie engagiert und diszipliniert alle ETH-Angehörigen dem Aufruf zur Projekteingabe und zur Mitarbeit in den verschiedenen Task-Forces und Gremien gefolgt seien. Und auch das grosse Verständnis für die Situation und die Bereitschaft, die Forschung runterzufahren sei nicht selbstverständlich. «Ich bin dankbar dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen alles andere zurückgestellt und Zeit eingesetzt haben , um die ETH geordnet in den Notbetrieb zu überführen», sagt Detlef Günter.
Corona-Impulsfonds
Forschungsprojekte rund um den Corona-Virus schnell und flexibel umsetzen, ist zurzeit die zentrale Aufgabe der ETH Zürich. Die Hochschule sucht aber auch nach zusätzlichen Mitteln für Stipendien. Gemeinsam mit der ETH Foundation wurde ein Impulsfonds ins Leben gerufen, um Projekte schnell und unbürokratisch unterstützen zu können.