Religiöse Menschen bestrafen häufiger unfaires Verhalten, auch wenn sie selbst dafür Nachteile erleiden. Dies zeigt eine neue Studie von Prof. Ernst Fehr von der Universität Zürich zur Rolle des Glaubens für faires Verhalten.
Das zivilisierte menschliche Zusammenleben basiert auf der Einhaltung sozialer Normen wie beispielsweise Fairness, Kooperation oder Ehrlichkeit. Entscheidend ist, dass viele Menschen bereit sind, unfaires Verhalten mit einer Bestrafung zu ahnden. Diese Bestrafung geht jedoch oft mit Nachteilen für den Bestrafer einher. So kann es zu einem Verlust eines profitablen Geschäftsabschlusses führen, wenn unfaire Methoden eines Geschäftspartners angeprangert werden. Faires Verhalten steht dabei einem ökonomischen Vorteil gegenüber und erfordert die Unterdrückung egoistischer Impulse.
Der Glaube an mächtige, moralisierende Gottheiten hilft, solche egoistische Impulse zu unterdrücken. Wer glaubt, dass eine allwissende, übernatürliche Macht von ihm erwartet, faire Verhaltensnormen einzuhalten und durchzusetzen, wird dies auch eher tun. Neueste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass religiöse Personen die Regeln der Fairness eher aufrechterhalten und sich eher an prosozialem Verhalten beteiligen. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie zur Erlangung eines Vorteils betrügen.
Bis jetzt hat jedoch noch niemand bewiesen, dass ein religiöser Background die Durchsetzung von Regeln der Fairness fördert, selbst wenn dadurch ein eigener Nachteil entsteht. Aus diesem Grund untersuchte das Forschungsteam um den Ernst Fehr, Charles Efferson (beide Universität Zürich), Ryan McKay (Royal Holloway der Universität London) und Harvey Whitehouse (Universität Oxford) die Auswirkung von Religion auf die Bestrafung unfairen Verhaltens, bei der eigene Nachteile in Kauf genommen werden.
Spender straften stärker
Die Probanden spielten ein einfaches Wirtschaftsspiel, bei dem ein Spieler entweder für ein faires Resultat (er erhält genauso viel Geld wie der zweite Spieler) oder für ein unfaires, aber wirtschaftlich vorteilhaftes Resultat sorgen kann (der erste Spieler erhält viel mehr als der zweite Spieler). Der zweite Spieler konnte anschliessend Geld aufwenden, um den Gewinn des ersten Spielers zu verringern, d. h. um den ersten Spieler zu bestrafen. Bevor der zweite Spieler die Entscheidung über die Bestrafung treffen sollte, wurde ihm eine Reihe schnell wechselnder und nur unbewusst wahrnehmbarer Wörter gezeigt – religiöses Vokabular, säkulares Bestrafungsvokabular oder Kontrollwörter. Bei einem Teil der Probanden, die alle religiösen Wörtern ausgesetzt wurden, nahm die altruistische Bestrafung von unfairen Entscheidungen stark zu – und zwar bei den Probanden, die kurz zuvor an eine religiöse Organisation gespendet hatten.
Dieses Ergebnis lässt auf einen Mechanismus schliessen, der Normen der Fairness in grossen anonymen Gruppen festigt, und fügt der Frage, wie sich prosoziale Religionen entwickelten, eine wichtige Erkenntnis hinzu. Religiöse Menschen bestrafen, weil sie denken, dass die übernatürliche Macht dies von ihnen erwartet und sie diese nicht enttäuschen wollen. Wenn der Glaube an eine übernatürliche Macht das kooperative Verhalten innerhalb einer Gruppe stärkt, dann sichern Religionen einer immer grösser werdenden Anzahl von Anhängern das Überleben und Gedeihen. Auf diese Weise tragen diese Religionen auch zu ihrem eigenen Überleben bei.
Literatur:
Ryan McKay, Charles Efferson, Harvey Whitehouse and Ernst Fehr: Wrath of God: religious primes and punishment, in Proceedings of the Royal Society B, doi: 10.1098/rspb.2010.2125