Nach dem Entscheid zu einer Initiative gegen das Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft ruft die Universität Freiburg dazu auf, den Dialog fortzusetzen. Sie betont ihre Autonomie in Lehre und Forschung und sieht gerade im wissenschaftlichen Dialog mit Muslimen einen höchst aktuellen Beitrag zu Verständigung und Integration.
Das Rektorat der Universität Freiburg bedauert, dass die Gegner des Schweizer Zentrums für Islam und Gesellschaft sich bisher nicht vom Nutzen der Einrichtung überzeugen ließen. Mit der Integration von Muslimen in den wissenschaftlichen Dialog unter den Qualitätskriterien wissenschaftlicher Rationalität wächst nach Einschätzung der Universitätsleitung die Chance für eine Integration der Muslime in den Schweizer Kulturraum. Die Universität Freiburg versteht ihre Bereitschaft, Verantwortung für das vom Bund gewünschte und geförderte Zentrum zu übernehmen, als Dienstleistung für die Schweizer Gesellschaft und als Zeichen ihrer Fähigkeit, öffentlich relevante Fragen aufzugreifen. Dazu braucht die Universität die im Universitätsgesetz erneut bestätigte Autonomie, welche die unabdingbare Voraussetzung für einen glaubwürdigen Beitrag der Universität zur kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft ist.
Analyse, Kritik und Differenzierung
Wie der gestrige Beschluss der Freiburger SVP zeigt, bleibt die Rolle des Islam in westlichen Gesellschaften ein ebenso bewegendes wie aktuelles Thema, das eng mit dem Phänomen der Migration verbunden ist. Die angeregte öffentliche Diskussion nach den Attentaten in Paris unterstreicht das Bedürfnis nach einer vertieften Beschäftigung mit dem Selbstverständnis muslimischer Glaubensgemeinschaften in Geschichte und Gegenwart. Eine Differenzierung der Positionen innerhalb des Islam ist dabei unverzichtbar, denn die grosse Mehrheit der Muslime wendet sich entsetzt von islamistischen Extremisten ab. Das Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft wird eine Plattform für die kritische Analyse der gesellschaftlichen Präsenz des Islam wie auch der gesellschaftlichen Reaktionen auf diese Präsenz bieten und so zu einer vorurteilsfreien Meinungsbildung beitragen. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz. Mit dem Zuschlag für den Aufbau dieses Zentrums anerkennt der Bund die Kompetenz, Tradition und Offenheit der Universität. Das Rektorat versteht dies als besondere Auszeichnung für den Hochschulstandort Freiburg.
Stand der Arbeiten
Das Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft hat unter der Leitung des Sozialethikers Dr. Hansjörg Schmid und seiner Assistentin, einer Schweizer Islamwissenschaftlerin am 1.1.2015 seine Arbeit offiziell aufgenommen. Die Aufmerksamkeit gilt zur Zeit der Planung von wissenschaftlichen Projekten und der Vorbereitung von Kooperationen mit Partnerinstitutionen.
Das Zentrum hat drei Arbeitsfelder: Forschung, Lehre und Weiterbildung. Im Bereich der Forschung geht es vorrangig um eine interreligiöse Auseinandersetzung mit sozialethischen Fragen. Im Bereich der Lehre ist ein Doktoratsprogramm „Islamisch-theologische Studien“ in Bezug auf den Schweizer Kontext in Vorbereitung, das noch im Laufe des Jahres 2015 ausgeschrieben werden soll. Im Bereich der Weiterbildung wird mit Förderung des Bundesamtes für Migration eine schweizweite Bestandsaufnahme und Bedarfserhebung durchgeführt.
Mit seinem Angebot richtet sich das neue Zentrum einerseits an muslimische Personen, die in islamischen Gemeinden arbeiten und sie betreuen (z.B. Jugendleiter, Vereinsvorstände oder Lehrkräfte in Moscheen) andererseits auch an Nicht-Muslime, die in ihrer Arbeit mit Muslimen zu tun haben (z.B. in der sozialen Arbeit, in Schulen, Unternehmen, Verwaltung oder Hilfswerken).
Struktur des Zentrums
Das Zentrum nimmt einen Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) wahr und wird von einer Arbeitsgruppe begleitet, die vom Präsidenten der Schweizerischen Rektorenkonferenz (CRUS), Antonio Loprieno, geleitet wird und Vertreter von Bundesbehörden, Universitäten sowie Muslime umfasst. Administrativ ist das Zentrum an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg verortet, es arbeitet aber interdisziplinär über die Fakultätsgrenzen hinaus. Derzeit werden Kooperationen mit Universitäten in der Schweiz und im europäischen Ausland aufgebaut, wo es, wie z.B. in Sarajevo, schon seit dem 19. Jahrhundert Erfahrungen einer Vermittlung zwischen islamischem Erbe und europäischen Wissenschaftsdiskursen gibt.
Die nächsten Schritte
• Im Frühlingssemester 2015 wird PD Dr. Hansjörg Schmid eine erste Lehrveranstaltung anbieten, die auch externen Hörern offen steht. Titel der Vorlesung: „Europa zwischen Wertegemeinschaft und Exklusionstopos. Erkundungen christlicher und islamischer Sozialethik“.
• Ab September 2015 wird eine noch zu bestimmende muslimische/r Gastprofessor/in seine/ihre Tätigkeit am Zentrum aufnehmen.
• Zum Beginn des Herbstsemesters 2015 wird das Zentrum an einer öffentlichen Veranstaltung offiziell eröffnet.
• Ab Herbstsemester 2015 werden weitere Lehrveranstaltungen (auch des Gastprofessors) angeboten.
• Ab 2016 kommt ein Weiterbildungsund Tagungsangebot dazu.
Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft: Wissenschaftlicher Dialog ist notwendiger denn je
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