Im letzten Sommer wurde dem Paul Scherrer Instituts PSI eine Verletzung der Integrität in der Forschung angezeigt. Das PSI setzte daraufhin eine Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe ein. Die Untersuchungskommission kam zum Schluss, dass die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis, wie sie in den Richtlinien des PSI ausgeführt sind, verletzt wurden. Die Direktion des Paul Scherrer Instituts nimmt den Vorfall sehr ernst. Sie hält fest, dass ein solches Vorgehen beim Publizieren nicht akzeptabel ist und hat als Konsequenz verschiedene Massnahmen getroffen.
Im Juni 2017 wurden dem PSI Vorwürfe bekannt, Mitarbeiter des PSI hätten bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift einen Artikel eingereicht, der Aspekte wissenschaftlichen Fehlverhaltens enthalte. Eine Vorabklärung durch Experten ergab, dass die erhobenen Vorwürfe massiv waren. Deshalb leitete der PSI-Direktor im August 2017 ein Verfahren zur Aufklärung der Vorwürfe gemäss Art. 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung bei vermuteter Verletzung der Integrität der Forschung am PSI ein. Dabei wurde eine Kommission, die sich aus externen und internen Experten zusammensetzt, mit der Klärung beauftragt.
Resultate der Untersuchung
Die Expertenkommission sichtete umfangreiche Dokumente, führte vier Befragungen durch und hielt sechs Sitzungen ab. Dabei hörte die Kommission auch die Beschuldigten an. Als Ergebnis wurden fünf inhaltliche und methodische Fehler in der eingereichten, aber noch nicht veröffentlichten Publikation identifiziert. Die festgestellten Fehler wurden gemäss den Richtlinien zur Integrität in der Forschung am PSI beurteilt und bewertet. Folgendes wissenschaftliches Fehlverhalten wurde gemäss diesen Richtlinien festgestellt:
- Unzureichende Dokumentation der Aufarbeitungen und Berechnung nach geltenden Regeln
- Unzulässige Manipulation in der Darstellung unterschiedlicher Experimente
- Nicht nachvollziehbare Versuchsanordnung
- Riskieren von Grauzonen, namentlich in Bezug auf Reproduzierbarkeit von Experimenten
- Unzureichende Erwähnung von Unsicherheiten im Diskussionsteil einer Veröffentlichung
Die Untersuchungskommission geht davon aus, dass die Autoren den Herausgeber sowie die Gutachter von Nature Communications in die Irre geführt und die Täuschung der potenziellen Leser ebenfalls in Kauf genommen haben. Die Täuschung entstand durch die Unterlassung einer adäquaten Darstellung der verwendeten Methoden, die Zusammenführung verschiedener Experimente und deren Darstellung als direkt zusammengehörend sowie der irreführenden Korrespondenz mit den Gutachtern der Zeitschrift. Die Untersuchungskommission bestreitet nicht, dass das Manuskript darüber hinaus interessante wissenschaftliche Resultate präsentiert. Zusammenfassend kommt die Untersuchungskommission zum Schluss, dass die beiden beschuldigten Autoren mit ihrem Manuskript die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis, wie sie in den Richtlinien des PSI ausgeführt sind, verletzt haben.
Massnahmen ergriffen
Die Direktion des Paul Scherrer Instituts nimmt den Vorfall sehr ernst und hält fest, dass ein solches Vorgehen beim Publizieren nicht akzeptabel ist. Aus diesem Grund wurden folgende Massnahmen ergriffen:
- Der Herausgeber von Nature Communications wurde über die Ergebnisse der Untersuchung informiert.
- Die beiden Mitarbeitenden wurden verpflichtet, darauf hinzuarbeiten, das fehlerbehaftete Manuskript, das noch nicht veröffentlicht wurde, zurückzuziehen. (Da beim Manuskript weitere Autoren mitgewirkt haben, muss ein Rückzug im Einverständnis aller Autoren erfolgen.)
- Die beiden Mitarbeitenden müssen bei allen künftigen Publikationen, in denen sie als PSI-Autor oder -Koautor fungieren möchten, auch die vorgängige schriftliche Bewilligung durch den zuständigen Laborleiter einholen.
- Der Schweizer Nationalfonds SNF wurde sofort über das im Rahmen der vorliegenden Untersuchung festgestellte Fehlverhalten informiert, da die Autoren des Manuskripts für ihre Arbeiten auch Forschungsgelder des SNF verwendet haben.
- Der PSI-Beauftragte für Integrität in der Forschung wird zusammen mit dem PSI-Komitee für Integrität in der Forschung beauftragt, die Verfahrensordnung und die Richtlinien Integrität in der Forschung am PSI einer Überprüfung zu unterziehen. Ziel ist es, zu verhindern, dass ein Mitautor zuwartet, bis ein Manuskript zur Publikation eingereicht ist und dann seine Kritik erstmals gegenüber Dritten äussert, anstatt schon vorher die etablierten Verfahren des PSI zu nutzen und zunächst den internen Beschwerdeweg in Anspruch zu nehmen.
- Das Monitoring über die Teilnahme an PSI-obligatorischen Ausund Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema Integrität in der Forschung am PSI wird erweitert.
- Die Forschungsgruppe, in der die beiden Mitarbeitenden tätig waren, wurde aufgelöst.
- Weitere Sanktionen gegen beide Mitarbeitenden werden in einem separaten Verfahren gemäss Bundespersonalgesetz entschieden.
Die beiden Mitarbeiter haben den Entscheid des Direktors akzeptiert und um Entschuldigung für ihr fehlerhaftes Verhalten gebeten.
Stellenwert der Integrität in der Forschung am Paul Scherrer Institut
Das PSI hat sich der wissenschaftlichen Exzellenz verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein, u.a. das Verpflichten hoch motivierter Mitarbeitender und das Entwickeln einer erstklassigen Forschungsinfrastruktur. Ebenso wichtig ist auch eine Umgebung, in der ein verantwortungsvolles Verhalten durch das Erinnern an klare und nachvollziehbare Regeln, die aus allgemein akzeptierten Normen und Werten abgeleitet sind, gefördert wird. Klare Regeln bilden die Grundlage für ein glaubwürdiges Arbeiten in der Forschung:
- Erstens und unmittelbar helfen sie, robustes Wissen zu verbreiten, indem sie das Auftreten von Fehlern vermindern.
- Zweitens: Forschung wird zunehmend in grösseren Gruppen durchgeführt, deren Akteure und Akteurinnen entweder aus verschiedenen Institutionen oder aus unterschiedlichen Disziplinen stammen. Das Fördern wichtiger Werte wie gegenseitiger Respekt, Regeln betreffend Autorschaft, Vertraulichkeit oder das Überlassen von Primärdaten sind für eine erfolgreiche und anhaltende Zusammenarbeit essenziell.
- Drittens: Transparente Abläufe in einem Forschungsinstitut wie dem PSI sind wichtig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu erhalten, aber auch dasjenige unserer industriellen Partner und Förderorganisationen.
Das Vertrauen in die Forschung hängt wesentlich auch vom verantwortlichen Handeln der Forschenden ab. Um nachhaltig eine hohe Forschungsqualität zu sichern, ist jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter aufgerufen, verantwortlich zu handeln und diese Richtlinien zu befolgen. Ein Verstoss wird vom PSI nicht akzeptiert.