Wie lassen sich natürliche Ressourcen nachhaltiger als bisher nutzen? Diese Frage steht im Zentrum vieler Debatten rund um den gesellschaftlichen Wandel. So haben zum Beispiel auch die Vereinten Nationen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung formuliert - die sustainable development goals (SDGs). Am Wasserforschungsinstitut Eawag beschäftigen sich die Forschenden der Abteilung Umweltsozialwissenschaften intensiv mit Veränderungsprozessen hin zu mehr Nachhaltigkeit.
«Wir haben in der Schweiz den Vorteil, aus dem Wandel im Schweizer Wassermanagement in den letzten 200 Jahren lernen zu können», sagt Christian Binz, Gruppenleiter an der Eawag. «Der Gewässerschutz steht zwar immer noch vor grösseren Herausforderungen wie dem Verlust der Artenvielfalt, Zerschneidung von Lebensräumen und Mikroverunreinigungen. Dennoch wurden in verschiedenen Bereichen seit den 1950er Jahren grosse Fortschritte erzielt.»
Die neue Wasser-Timeline dokumentiert nun dieses Beispiel, um der Fachwelt, der Verwaltung, Bildungsinstitutionen und der breiten öffentlichkeit eine Fallstudie für Wandel zu mehr Nachhaltigkeit zugänglich zu machen. Auf einer Zeitachse veranschaulicht die Timeline die Geschichte des Schweizer Gewässerschutzes seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit rund 200 Meilensteinen in Bild und Text. Die Vernetzung von technologischen, gesellschaftlichen und ökologischen Elementen im Wandel zu mehr Nachhaltigkeit steht dabei im Fokus.
Die Nutzung der Ressource Wasser im Wandel der Zeit
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts durchlebten die Gewässer in der Schweiz zahlreiche Wechsel. Sie wurden intensiv genutzt, mit Abfall und Abwasser verschmutzt, in enge Kanäle und teils in unterirdische Leitungen gezwängt, schliesslich wieder mehr und mehr aus dem Korsett befreit und an die Oberfläche gebracht, geklärt, gesäubert und letztlich per Gesetz unter Schutz gestellt.
Die Wasser-Timeline führt anhand konkreter Ereignisse durch diese Vergangenheit. Sie startet bei den Gewässerverbauungen und der Elektrifizierung durch die Wasserkraft im 19.Jahrhundert. Es folgen erste Probleme wie Fischsterben oder Cholera im Trinkwasser, später erste Lösungsansätze wie Badeverbote, erste Kläranlagen und Phosphatverbot für Waschmittel. Forschungsinstitute wurden gegründet und Messnetze zur Beobachtung der Wasserqualität aufgebaut. Die Reise durch die Zeit endet in der Gegenwart mit dem Gewässerschutzgesetz von heute und den neuen Herausforderungen des Klimawandels. Die Timeline liefert dazu spannende Details, zeigt Verbindungen auf und verlinkt auf weiterführende Informationen.
Als Reaktion auf die zahlreichen Überschwemmungen in den letzten Jahrzehnten wurden (auch präventiv) viele Flüsse korrigiert. (Photo: Odin Aerni auf unsplash)
Vor dem Ersten Weltkrieg wurden viele Wasserkraftwerke gebaut, um die Bevölkerung mit Strom zu versorgen. (Photo: Bau eines Wasserkraftwerkes im Tessin um 1900)
Das erste Gewässerschutzgesetz führte zur Ausweitung der Abwasserbehandlung. (Photo: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz / Fotograf: Swissair / LBS_SR05-200485-25 / CC BY-SA 4.0)
Das neue Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer institutionalisierte das integrale Schutzprinzip über das gesamte aquatische System.
Der NAQUA-Bericht und die Kampagne «Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser» weisen auf Verunreinigungen des Grundwassers hin. (Photo: Roland Müller, Benken)
Bemerkenswert ist dabei, wie komplex ein solcher Veränderungsprozess hin zu mehr Nachhaltigkeit ist. Die Wasser-Timeline zeigt: Es brauchte kollektive Anstrengungen in vielen Bereichen, um den Wandel im Gewässerschutz voranzutreiben. Verschiedene Einzelpersonen, private Organisationen, Unternehmen und Umweltverbände engagierten sich für das Wasser in der Schweiz. Die Politik erliess daraufhin Gesetze und Verordnungen, um die Gewässer zu schützen. Parallel wuchs in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Ressource Wasser als wichtige Lebensgrundlage. Zudem brauchte es den technischen Fortschritt, um die Gewässer in der Schweiz effizient zu schützen und nachhaltig zu managen. Und nicht zuletzt trug auch die Forschung zum Schutz des Wassers bei, indem sie Daten und Informationen lieferte und frühzeitig vor neuen, noch unbekannten Gefahren warnte, zum Beispiel vor der Verschmutzung des Wassers mit Pflanzenschutzmittelen, Medikamenten, Haushaltschemikalien oder Körperpflegeprodukten.
Einfache Rezepte gibt es nicht
Das Beispiel des Gewässerschutzes soll Inspiration bieten, wie mit anderen natürlichen Ressourcen umgegangen und auf Herausforderungen wie Klimawandel und Biodiversitätsverlust reagiert werden kann. Eins zu eins lassen sich die Lektionen aber natürlich nicht Übertragen. «Simple Rezepte, die für alle passen, gibt es nicht», sagt Manuel Fischer, Gruppenleiter an der Eawag, der gemeinsam mit Christian Binz das Projekt Wasser-Timeline ins Leben gerufen hat. «Dennoch können wir aus dem Beispiel Wasser lernen, wie wir tiefgreifende, strukturelle Veränderungen angehen können. Wir hoffen daher, dass politische und akademische Kreise die Informationen der Timeline aufgreifen, um die nachhaltige Entwicklung weiter voranzutreiben. Vielleicht gelingt es uns damit auch, einen vertieften Dialog zwischen den relevanten Akteuren zu initiieren.»