Im Juli 2023 wurde das Euclid-Teleskop von der ESA in den Weltraum geschickt, um eine neue Karte des Weltraums zu erstellen. Ohne ein Software-Team der FHNW würde bei der Mission nichts laufen.
Im Juli 2023 startete das Weltraum-Teleskop Euclid ins All. Seit dem 14. Februar 2024 sendet es Daten an die Erde. Die Hochschule für Technik FHNW spielt eine Schlüsselrolle, damit Wissenschaftler*innen in ganz Europa mit den riesigen Datenmengen arbeiten können. Simon Marcin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Data Science schildert den gegenwärtigen Stand des Projekts.
Simon Marcin, die ESA hat kürzlich eine Vorschau auf die Weltraumkarte veröffentlicht, die Euclid erstellt. Was zeigt diese Karte?
Simon Marcin: Euclid erstellt eine Karte des sichtbaren Universums. Die Vorschau zeigt nur ein Prozent davon. Wir sehen jetzt schon viel mehr Details im Weltall. Wo wir früher nur Staub gesehen haben, erkennen wir nun einzelne Galaxien. Das Beste kommt aber noch: Euclid wird uns helfen, neue kosmische Phänomene zu finden.
Und wie funktioniert das genau?
Euclid erkennt Verformungen von Galaxien sehr genau. Oft sehen wir auf den Bildern verzerrte Galaxien, sie sehen zum Beispiel bananenförmig aus, obwohl sie eigentlich rund wären. Das liegt daran, dass andere Galaxien das Licht auf dem Weg zu uns verformen. Manchmal sehen wir aber auch Verformungen, ohne dass andere Galaxien involviert sind, also verursach von etwas, was wir nicht sehen - der dunklen Materie. Die grosse Menge an sehr genauen Daten von Euclid hilft uns, die dunkle Materie besser zu verstehen. Die Infrarotmessungen von Euclid zeigen uns auch, wie sich das Universum ausgedehnt hat.
Das von der ESA veröffentlichte Mosaik aus 260 Einzelbildern, das 1 % der von Euclid erstellten Karte ausmacht, Bild: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, CEA Paris-Saclay, image processing by J.-C. Cuillandre, E. Bertin, G. Anselmi, CC-BY-SA
Was genau macht die FHNW bei diesem Projekt?
Alle Euclid-Daten und Berechnungen laufen über eine Software, die wir hier an der FHNW entwickeln. Diese Daten werden in neun verschiedenen Rechenzentren in Europa und den USA verarbeitet. Jedes Rechenzentrum funktioniert etwas anders, und unsere Software sorgt dafür, dass die Daten Überall gleich gut verarbeitet werden. Die Wissenschaftler*innen können damit ausserdem auf ihren Computern Programme zur Auswertung der Euclid-Daten schreiben. Wir sorgen dafür, dass diese Programme optimal auf den Supercomputern laufen.
Um wie viele Daten geht es?
In den nächsten fünf Jahren wird Euclid rund 1 Petabyte an Rohdaten senden. Diese Daten werden dann noch mit Daten von anderen Teleskopen kombiniert und weiterverarbeitet. Im gesamten Data-Processing von Euclid sprechen wir von Datenmengen im Exabyte-Bereich - das sind ungefähr eine Million Festplatten mit je 1 Terabyte Speicher.
Euclid sendet seit Februar 2024 Daten. Wie gut funktioniert die Software der FHNW?
Insgesamt läuft alles gut, aber es ist anders als vorher gedacht. Seit Euclid die Daten sendet, müssen wir jeden Tag neue Herausforderungen lösen.
Welche Herausforderungen sind das?
Zum Beispiel stellte sich früh heraus, dass das Teleskop in manchen Winkeln zu viel Streulicht von der Sonne aufzeichnet. Es mussten erst die funktionierenden Winkel gefunden werden und bei der Datenaufbereitung müssen wir das berücksichtigen, damit am Schluss die Karte vollständig wird. Auch die Skalierung der Daten war ein Problem. Es ist ein Unterschied, etwas zu simulieren und dann tatsächlich riesige Datenmengen über 10 000 Prozessoren zu berechnen. Da kam es vor, dass nur das Öffnen einer Datei 26 Stunden dauerte. Aber solche Probleme gehören bei so einem Projekt dazu.
Visualisierung des Euclid-Teleskops im Weltraum, Bild: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA. Background galaxies: NASA, ESA, and S. Beckwith (STScI) and the HUDF Team, CC-BY-SA
Das heisst, dass die Arbeit an einem solchen Projekt nach dem Start der Rakete nicht abgeschlossen ist?
Ja, wir haben unterschätzt, wie gross die Verantwortung ist. Wir arbeiten mit 2 500 Wissenschaftler*innen und neun Rechenzentren. Wenn etwas mit den Daten oder den Berechnungen nicht funktioniert, kommen sie zuerst zu uns. Wir sind dafür zuständig, dass die Daten von Anfang bis Ende richtig verarbeitet werden. Das ist aber auch spannend: Jeden Tag gibt es neue Probleme zu lösen, und wir stehen ständig in Kontakt mit einer Vielzahl von Wissenschaftler*innen und Techniker*innen in verschiedenen Ländern
Sie arbeiten seit acht Jahren an Euclid. Wie fühlt es sich an, jetzt in der heissen Phase zu sein?
Es ist unglaublich spannend! Wir haben viel geplant, aber seitdem es wirklich losgegangen ist, ist alles anders. Und bis zum Projektende in sechs Jahren, wird wieder alles anders sein. Es gibt viele Überraschungen. Und wir haben auch viel Spass: Wir teilen tolle Bilder von Euclid in unserem Teamchat. Das motiviert uns jeden Tag.
Titelbild: Euclids Ansicht des Pferdekopf-Nebels, Bild: ESA/Euclid/Euclid Consortium/NASA, image processing by J.-C. Cuillandre (CEA Paris-Saclay), G. Anselmi