Der Otto Naegeli-Preis zur Förderung der medizinischen Forschung ist mit 200’000 Franken dotiert und eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Auszeichnungen in der Schweiz. Der Preis, der alle zwei Jahre verliehen wird, geht dieses Jahr an Professor Ruedi Aebersold (ETH Zürich/Universität Zürich) und Professor Amos Bairoch (Universität Genf und SIB Schweizerisches Institut für Bioinformatik).
Der Namensgeber des Preises, Otto Naegeli, war eine ausserordentliche Persönlichkeit. 1871 geboren, fiel er schnell mit originellen Forschungsansätzen auf. So erregte er Aufsehen mit der Beobachtung, dass zwar viele Menschen mit dem Tuberkulosebakterium infiziert sind, aber nur wenige daran erkranken. Seine Folgerung, dass die individuelle Immunabwehr für diesen Effekt verantwortlich sei, löste zunächst einen Sturm der Entrüstung aus, wurde aber später bestätigt. Das stetige Suchen nach neuen Lösungen mit aussergewöhnlichen Mitteln und Methoden zeichnet auch die beiden Preisträger des diesjährigen Otto Naegeli-Preises aus.
Ruedi Aebersold, Professor für Funktionelle Genomik an der Universität Zürich und an der ETH Zürich und Leiter des Institutes für molekulare Systembiologie an der ETH Zürich, ist ein Pionier auf dem Gebiet der Proteomik. Die Proteomik erforscht die Gesamtheit der in einer Zelle oder einem Lebewesen auffindbaren Proteine. Die Proteinzusammensetzung — auch Proteom genannt — ist im Gegensatz zum eher statischen Genom sehr dynamisch und kann sich aufgrund bestimmter Bedingungen, wie etwa Umgebungsfaktoren, verändern. Anders gesagt: Entsteht aus einer Raupe ein Schmetterling, bleibt das Genom zwar erhalten, das Proteom ist aber verändert, was unter anderem zur neuen Form des Lebewesens führt.
Aebersold entwickelte eine Reihe von analytischen Methoden und Computermodellen, die es erlauben, Proteine zu identifizieren und ihre Menge zu messen. Bekannt wurde z. B. das ICAT (Isotope Coded Affinity Tag) System — eine Methode, bei der stabile Isotope zur Markierung der Proteine eingesetzt werden. Aebersold und sein Team können mit ICAT unter anderem die Proteinzu-sammensetzung in Krebszellen von derjenigen in Nichtkrebszellen unterscheiden oder andere Veränderungen im Proteom nachweisen. Mit der Methode kann zudem systematisch untersucht werden, wie einzelne Zellen auf externe Stimuli reagieren und welche Zellen ein abnormes Level an bestimmten Proteinen aufweisen. Dies führt nicht nur zu einem neuen Verständnis der biochemischen Prozesse, sondern könnte auch helfen, dass Krebs und Stoffwechseler-krankungen leichter diagnostiziert werden können.
Professor Amos Bairoch, Leiter des Instituts für Strukturelle Biologie und Bioinformatik an der Universität Genf und Leiter einer Forschungs- und Dienstleistungsgruppe des SIB Schweizerisches Institut für Bioinformatik, wird ausge-zeichnet für seine herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Proteinsequenzanalysen; insbesondere für die Entwicklung diverser Ressourcen — Datenbanken und Websites —, die er der Forschungsgemeinschaft einfach und umfassend zugänglich machte. Schon als Doktorand erkannte Amos Bairoch, welche Möglichkeiten die Informatik der biologischen Forschung eröffnet. Er begann damit, Software zur Analyse von Proteinsequenzen zu entwickeln und baute bereits 1986 die Proteindatenbank Swiss-Prot auf. Swiss-Prot wurde weltweit zum zentralen und unverzichtbaren Instrument in der Life Science Forschung.
Bairoch ist zudem Mitbegründer des SIB Schweizerischen Instituts für Bioinformatik. 1998 gegründet, ist das SIB heute eines der führenden Bioinformatik-Institute, in dem sich rund 29 Forschungs- und Servicegruppen mit gesamthaft 400 Mitarbeitenden an den besten Universitäten und Instituten der Schweiz zusammengeschlossen haben.
2009 startete Bairoch ein neues Projekt, CALIPHO (Computer and Laboratory Investigation of Proteins of Human Origin), mit dem Ziel, durch eine Kombination von Bioinformatik und experimentellen Methoden das Wissen über die menschlichen Proteine zu verbessern.
Der Otto Naegeli-Preis wird seit 1960 alle zwei Jahre an herausragende Forschende auf dem Gebiet der medizinischen Forschung verliehen. 1990 wurde die Preissumme auf 200’000 Schweizer Franken erhöht, was den Otto Naegeli-Preis zu einem der höchstdotierten Forschungspreise der Schweiz macht. Die Otto Naegeli-Stiftung unterstützt und belohnt Forschung, welche die Erhaltung und Förderung menschlichen Lebens und menschlicher Lebensqualität zum Ziel hat. Der jeweilige Preisträger wird von einem Preisrat bestimmt, der sich aus bisherigen Preisträgern und dem Stiftungsrat zusammensetzt.