Les bilingues se représentent deux fois le monde

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Les bilingues se représentent deux fois le monde

Eine Forschungsgruppe hat die Auswirkungen grammatikalischer Regeln und geschlechtsspezifischer Stereotypen auf zweisprachige Personen untersucht. Daraus wird klar: Männlich oder weiblich ist nicht nur eine Frage des Geschlechts – sondern auch der verwendeten Sprache.

Durch die Verwendung einer anderen Sprache in eine andere Welt wechseln: Was uns wie ein Kindheitstraum erscheint, ist für Zweisprachige gang und gäbe. Gemäss einer soeben veröffentlichten Studie der Universität Freiburg passt sich die Geschlechterassoziation zweisprachiger Personen der jeweils verwendeten Sprache an. Konkret heisst dies, dass Zweisprachige ihr Geschlechterbild in Bezug auf die Sprache konstruieren, die sie gerade verwenden. Die Studienteilnehmenden wurden jeweils in ihrer ersten (L1) und zweiten (L2) Sprache getestet, d.h. in diesem Falle Französisch oder Englisch. Es ist die erste Studie überhaupt, die solche Analysen in zwei Sprachen und mit denselben zweisprachigen Personen ausgeführt hat.

Die Studie hat die Teilnehmenden beispielsweise mit zwei Sätzen konfrontiert: Im ersten war eine Berufsbezeichnung enthalten, der zweite lieferte einen Nachtrag mit Bezug zum vorherrschenden Geschlecht im Berufsbeispiel. Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden mit dem zweiten Satz mehr Mühe hatten, wenn er, in englischer Sprache, so genannte Konter-Stereotypen enthielt, oder, in französischer Sprache, von Frauen sprach, ungeachtet der mit dem Beruf verbundenen Stereotypen. Ein Beispiel in Französisch: «Les musiciens sont sortis de la salle.» Kann diesem Satz folgende Aussage folgen: «Un des hommes portait un parapluie»? Oder besser: «Une des femmes portait un parapluie»? Richtigerweise sollte die Antwort in beiden Fällen „ja“ lauten. Tatsache ist aber, dass es den Teilnehmenden schwer gefallen ist, die zweite Aussage als richtig zu bewerten. Denn obwohl man bereits in der Grundschule lernt, dass die grammatikalische Verwendung des Männlichen im Französischen beide Geschlechter umfassen kann («les musiciens» können Frauen und Männer sein), ruft der Gebrauch bei den Sprechenden eher eine maskuline Assoziation hervor. Ganz anders in der englischen Sprache, die das Geschlecht grammatikalisch nicht definiert («musicians»), dafür aber mit stereotypen Bezeichnungen geschlechtsspezifische Assoziationen weckt. Das Wort «nurse» (Krankenschwester oder Krankenpfleger) beispielsweise ruft ganz klar das Bild einer Frau hervor.

Sprache beeinflusst Gedanken

Die Resultate der Forschenden haben des Weiteren aufgezeigt, dass die Assoziation mit einem Geschlecht auch vom Niveau der zweiten Sprache (L2) abhängig ist. So hatten die Teilnehmenden, deren L2 ein gutes Niveau aufwies, dieselbe Assoziation mit dem Geschlecht wie die Personen, welche L2 als Erstsprache (L1) angegeben hatten. Diejenigen aber, deren L2 weniger ausgeprägt war, blieben durch ihre Erstsprache beeinflusst bezüglich der Geschlechterassoziation. Für Pascal Gygax untermauern die Resultate die Hypothese, wonach ein enger Bezug besteht zwischen der Sprache und den Gedanken: «Wir stellen fest, dass der Einfluss der Sprache alles andere als unwesentlich ist. Die in einem bestimmten Kontext verwendete Sprache beeinflusst unsere mit ebendiesem Kontext verbundenen Gedanken. Diese Ansicht wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Anthropologen vertreten. Ich denke auch an George Orwell, der in seinem Roman 1984 ebenfalls die Hypothese aufnimmt, wonach eine Idee nur existieren kann, wenn auch die dafür notwendigen Worte existieren.»