Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Cannabis

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Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Cannabis

Eine von der Universität Genf und dem Beratungsunternehmen EBP durchgeführte Studie zeigt, dass das gesamte Cannabis-System in der Schweiz einen Jahresumsatz von 1 Milliarde Franken pro Jahr generiert.

Cannabis generiert in der Schweiz einen Jahresumsatz von etwa einer Milliarde Schweizer Franken. Davon profitieren nicht nur die Produktion und der Handel in der illegalen Schattenwirtschaft, sondern auch viele legale Wirtschaftssektoren, vom Gesundheitswesen über die Polizei und Justiz bis hin zur Sozialarbeit. Eine Studie der Universität Genf hat die wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen Cannabisregulierung in der Schweiz eingehend analysiert. Sie zeigt zudem, dass alternative Formen der Regulierung die Situation erheblich verändern könnten.

Cannabis ist in der Schweiz seit 1951 verboten. Siebzig Jahre später diskutieren viele Länder darüber, ob die Prohibition dem öffentlichen Interesse am besten dient. In der Schweiz wurde mehrfach versucht, die Vorschriften zu lockern oder zu verschärfen, bislang größtenteils ohne Erfolg. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Kantone Genf und Basel-Stadt sowie die Städte Bern und Zürich haben daher eine Studie in Auftrag gegeben, die eine ökonomische Perspektive auf die Diskussion einnimmt und bislang unbekannte Informationen liefert.

Viele Branchen profitieren von Cannabis

Die Studie wurde von der Abteilung für Soziologie der Universität Genf und der Beratungsfirma EBP erarbeitet. Das Forschungsteam schätzt den Umsatz, der in der Schweiz durch das gesamte Cannabissystem generiert wird, auf rund eine Milliarde Franken pro Jahr. Dies umfasst sowohl die direkten Effekte des Cannabismarktes, der Gesundheitsdienste, der Polizei, der Justiz und des Strafvollzugs als auch die indirekten wirtschaftlichen Effekte, die in der gesamten Schweizer Wirtschaft ausgelöst werden.

Etwa 56 Tonnen Cannabis (Marihuana und Haschisch) werden jedes Jahr von Schweizerinnen und Schweizern konsumiert. Dies entspricht etwa 750 000 Joints pro Tag. Auf der Grundlage dieser Zahlen wird der Jahresumsatz des Schweizer Cannabismarktes (Produktion und Verkauf) auf 582 Millionen Franken geschätzt (abzüglich der Importe auf 432 Millionen Franken). Hinzu kommen laut der Studie folgende Jahresumsätze: im Justizvollzug 14 Millionen Franken, in der Rechtsprechung 9 Millionen Franken, bei der Polizei 34 Millionen Franken und im Gesundheitssektor 22 Millionen Franken.

Berücksichtigt man zusätzlich die indirekten Effekte aufgrund von Vorleistungen und generierten Einkommen, sind die jährlichen Umsätze noch höher: 843 Millionen Franken auf dem Cannabismarkt selbst, 44 Millionen Franken im Gesundheitssektor, 71 Millionen Franken bei der Polizei, 18 Millionen Franken in der Justiz und 23 Millionen Franken im Strafvollzug.

Bruttowertschöpfung vergleichbar mit der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen

Die Studie schätzt die Bruttowertschöpfung des Cannabissystems in der Schweiz auf 673 Millionen Franken (davon 428 Millionen direkte Effekte und 245 Millionen indirekte Effekte). Die direkte Wertschöpfung, die durch das Cannabissystem generiert wird, entspricht somit etwa 0,06% des Schweizer Bruttoinlandsprodukts. Sektoren in der Schweiz mit einer ähnlichen wirtschaftlichen Bedeutung sind die Wasserversorgung (0,04 Prozent) oder die Herstellung von Autos und Autoteilen (0,08 Prozent).

Der gesamte Beschäftigungseffekt der wirtschaftlichen Aktivität, die aus dem Cannabissystem hervorgeht, beläuft sich auf etwa 4.400 Vollzeitäquivalente. Diese Zahl ist vergleichbar mit der Zahl der Beschäftigten in der Schweizer Unfallversicherung (SUVA). Die durch das Cannabissystem erzeugten wirtschaftlichen Effekte lösen zudem Steuereinnahmen von insgesamt rund 25 Millionen Franken aus, die die Mehrwertsteuer und andere Steuern auf Güter (z.B. Tabak, Treibstoff) sowie Einkommenssteuern umfassen.

Sollte das Cannabissystem in Zukunft mehr oder weniger reguliert werden?

Die Studie zeigt auch, dass sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des Cannabissystems mittelfristig verändern würden, wenn alternative Formen der Regulierung angewandt würden. Eine Legalisierung des Konsums und des Besitzes der Droge für den persönlichen Gebrauch in Verbindung mit der Legalisierung der nichtkommerziellen Gemeinschaftsproduktion (Szenario ’Cannabis Social Club’) würde den Umsatz des Cannabissystems auf 650 Millionen Franken reduzieren. In einem vollständig regulierten Markt (Szenario ’Freier Markt’) würde der Umsatz sogar auf knapp 200 Millionen Franken sinken. Ein stark regulierter und privatwirtschaftlich organisierter Markt würde etwa 275 Millionen Franken erreichen.

Ein Teil des Umsatzrückgangs würde jedoch in Form von Steuereinnahmen abgeschöpft. Während der Status quo ohne legalen Markt und ohne produktspezifische Besteuerung Steuereinnahmen von rund 25 Mio. Franken generiert, könnte das Szenario ’Cannabis Social Club’ (Mindestpreis und Umsatzsteuer) rund 16 Mio. Franken an Steuereinnahmen generieren.Das Szenario "Stark reguliert" (gewichts- und wertabhängige Produktsteuer wie bei Tabak) könnte Steuereinnahmen von rund 166 Millionen Franken erzielen, das Szenario "Freier Markt" (nur Mehrwertsteuer) von 464 Millionen Franken und das Szenario "Stark reguliert" (gewichts- und wertabhängige Produktsteuer wie bei Tabak) von 11 Millionen Franken.

Eine notwendige Grundlage, um den Gesetzgebungsprozess voranzutreiben

Dr. Oliver Hoff, assoziierter Forscher am Institut für soziologische Forschung der Universität Genf und Autor der Studie, ordnet die Ergebnisse wie folgt ein: Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass die aktuelle Regulierung aus wirtschaftlicher Sicht ein sehr ineffizientes Ergebnis für die Schweiz hervorbringt. Während die künstlich hohen Margen vor allem den illegalen Akteuren zugute kommen, leiden die Konsumentinnen und Konsumenten unter mangelnder Transparenz und Produktqualität. Das Gesundheitssystem und die Prävention haben einen erschwerten Zugang zu problematischen Konsumentinnen und Konsumenten und der Staat ist nicht in der Lage, diese zu erreichen.Der Staat hat keinen Zugang zum Markt in Bezug auf Regulierung, Besteuerung und Gesundheitspolitik’.

Adrian Gschwend, Leiter der Sektion Politische Grundlagen und Vollzug des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), fügt hinzu: In den kommenden Jahren sollen im Rahmen von Modellversuchen Erfahrungen mit dem kontrollierten Zugang zu Cannabis gesammelt werden. In Kombination mit den laufenden Initiativen der Sozial- und Gesundheitskommissionen beider Parlamentskammern zur Regulierung von Cannabis kommt diese Studie zum richtigen Zeitpunkt und ist ein gutes Beispiel für den Beitrag, den die Wissenschaft zur weiteren politischen Debatte über den Umgang mit Cannabis leisten kann".

Sandro Cattacin, Professor an der Abteilung für Soziologie der Universität Genf, der die Studie von Seiten der Universität betreut hat, fügt hinzu: Bei der Verschreibung von Heroin in den 1990er Jahren war der entscheidende Faktor das Leiden der Menschen. das Leiden der Menschen, das Empörung hervorrief und öffentliche Debatten über Lösungen für das Drama auslöste. Anschließend führten Evaluationen dazu, dass die Politiker eine neue Regelung per Gesetz stabilisierten. In der Cannabispolitik sind diese Elemente ebenfalls ausschlaggebend, auch wenn das Leid lange Zeit nicht sichtbar war. Erst seit kurzem wird von diesem Leid im Zusammenhang mit der Prohibition gesprochen. Genau diese Klärung steht auch im Mittelpunkt dieses Forschungsprojekts. Es spricht nicht über das Leiden und zeigt auch nicht auf, welche Modelle aus moralischer Sicht zu bevorzugen sind. Aber die Studie liefert eine willkommene und notwendige Grundlage, um den Gesetzgebungsprozess im Bereich der Cannabisregulierung voranzutreiben, indem sie die verschiedenen Regulierungsmodelle vergleicht und sie aus wirtschaftlicher Sicht bewertet’.


Die vollständige Studie in englischer Sprache ist in der Reihe ’Sociograph - Sociological Research Studies’ der Universität Genf erschienen.

20. Juni 2022