
Die Ökosysteme der Kryosphäre gehören zu den ältesten der Erde. Wissenschaftler der EPFL haben eine Bestandsaufnahme der dort lebenden Mikroorganismen durchgeführt und herausgefunden, dass sie eine einzigartige genetische Signatur besitzen. Sie haben diese Informationen in einer Datenbank gesammelt, die eine nützliche Ressource für zukünftige Studien über die Mikrobiologie des Klimawandels sein wird.
Die sogenannten kryosphärischen Ökosysteme bedecken fast 20% der Erdoberfläche. Zu ihnen gehören die polaren Eiskappen, Berggletscher und ihre Seen, Permafrostböden und Ozeanküsten, die von Gletscherabflüssen gespeist werden. Die Mikroorganismen dieser Ökosysteme und ihre Besonderheiten werden von den Wissenschaftlern derzeit nur unzureichend verstanden, während ihre Existenz durch den Klimawandel bedroht ist.
An der EPFL führt das Forschungslabor für Flussökosysteme (RIVER), das am Forschungspol für die alpine und polare Umwelt (ALPOLE) in Sion angesiedelt ist, einen Wettlauf gegen die Zeit, um sie besser kennen zu lernen. Der Doktorand Massimo Bourquin hat soeben als Erstautor die erste systematische und vergleichende Bestandsaufnahme dieser Ökosysteme in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Wir haben gezeigt, dass dieses Mirkrobiom seine eigenen Besonderheiten hat und dass es sich im Laufe der Evolution wahrscheinlich früher gebildet hat als andere Ökosysteme auf der Erde", sagt der Biologe. Die Bestandsaufnahme, die auf einem sehr großen Datensatz von 695 verschiedenen kryosphärischen Proben aus der ganzen Welt basiert, kann als Referenz für zukünftige Studien über die Mikrobiologie der Kryosphäre und den Klimawandel dienen.
Wir haben gezeigt, dass dieses Mirkrobiom seine eigenen Besonderheiten hat und sich im Laufe der Evolution wahrscheinlich früher gebildet hat als andere Ökosysteme auf der Erde.
Bedrohte Ökosysteme
Auf der Grundlage des Datensatzes wurden maschinelles Lernen und statistische Werkzeuge eingesetzt. Jetzt können die Wissenschaftler zum Beispiel angeben, welche Bakterien in bestimmten Teilen der Kryosphäre am häufigsten vorkommen und am reichlichsten vorhanden sind. Es gelingt ihnen auch, mit einer Trefferquote von 96% abzuschätzen, ob eine Probe kryosphärisch ist oder nicht. Indem wir die Bakterien nach Ähnlichkeiten gruppierten, konnten wir zeigen, wie spezifisch dieses Mikrobiom ist, welche Artenvielfalt es aufweist und wie seine Existenz, die auf Millionen von Jahren derJahren der Anpassung an eine nährstoffarme Umgebung und extreme Temperaturen beruht, heute bedroht ist", sagt Bourquin.
Begeisternde Perspektiven
Ihre Doktorarbeit ist Teil des Projekts Vanishing Glaciers des RIVER-Labors und wird von der NOMIS-Stiftung finanziert. Ihr Ziel ist es, den Einfluss der Gletscherschmelze auf die Mikroorganismen der von ihnen gespeisten Bäche und deren Genom zu verstehen. In die in Nature Communications erschienene Studie wurden übrigens unter anderem Proben von Gletscherbächen aus der ganzen Welt, die im Rahmen dieses Projekts gesammelt wurden, integriert und mit anderen sogenannten kryosphärischen Ökosystemen verglichen.
Die Studie zeigt, dass sich das Mikrobiom dieser Flüsse leicht von dem anderer Ökosysteme dieser Kategorie unterscheidet. Diese Erkenntnis ist für die Wissenschaftler spannend, da sie neue Wege eröffnet, um zu verstehen, was diese Mikroorganismen, die im Zentrum des Vanishing-Glacier-Projekts stehen, so besonders macht.
Die Entdeckung neuer Bakterien und neuer Besonderheiten eröffnet immer neue Perspektiven für zukünftige Forschungen.
Die Forscherinnen und Forscher des RIVER-Labors, das an der Fakultät für natürliche Umwelt, Architektur und Bauwesen (ENAC) angesiedelt ist, haben also noch viel Arbeit vor sich. Die Entdeckung neuer Bakterien und neuer Besonderheiten eröffnet immer neue Perspektiven für zukünftige Forschungen", erinnert Massimo Bourquin.
ReferenzenMassimo Bourquin, Susheel Bhanu Busi, Stilianos Fodelianakis, Hannes Peter, Alex Washburne, Tyler J. Kohler, Leïla Ezzat, Grégoire Michoud, Paul Wilmes, Tom J. Battin, "The microbiome of cryospheric ecosystems", Nature Communications, 2 June 2022. DOI: 10.1038/s41467’022 -30816-4.