Wissenschaftler der Universität Genf, des Inselspitals Bern und der UNIBE haben herausgefunden, dass verborgene Mutationen der nicht-codierenden DNA für die Alterung bestimmter Gewebe, wie z. B. derjenigen, aus denen die Leber besteht, verantwortlich sind.
Die Anhäufung von Mutationen in der DNA wird häufig zur Erklärung des Alterungsprozesses herangezogen, doch bleibt dies nur eine von vielen Hypothesen. Ein Team der Universität Genf , in Zusammenarbeit mit dem Inselspital, Universitätsspital Bern, und der Universität Bern (UNIBE), hat einen Mechanismus aufgedeckt, der erklärt, warum einige Organe, wie die Leber, schneller altern als andere. Sie enthüllt, dass sich Schäden auf der Ebene der nicht-kodierenden DNA, die oft verborgen bleiben, stärker in sogenannten ’Geweben mit geringer Zellproliferation’ ansammeln, wie z. B. in den Geweben, aus denen die Leber oder die Nieren bestehen. Im Gegensatz zu Organen, die sich häufig regenerieren, bleiben diese Schäden lange Zeit unbemerkt und verhindern die Zellteilung. Diese Ergebnisse, die in der Zeitschrift Cell zu lesen sind, eröffnen neue Wege, um die Zellalterung besser zu verstehen und möglicherweise zu verlangsamen.
Unsere Organe und Gewebe altern nicht alle gleich schnell. Der Alterungsprozess, der durch die Zunahme seneszenter Zellen - die sich nicht mehr teilen können und ihre Funktion verloren haben - gekennzeichnet ist, betrifft die Leber oder die Nieren schneller als die Haut oder den Darm. Die Mechanismen, die zu diesem Prozess beitragen, sind Gegenstand zahlreicher Debatten in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Es ist zwar weithin anerkannt, dass Schäden am genetischen Material (DNA), die sich mit zunehmendem Alter häufen, den Alterungsprozess verursachen, doch der Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen ist nicht geklärt.
DNA-Moleküle enthalten codierende Teile - die Gene, die für Proteine codieren - und nicht codierende Teile, die an Mechanismen zur Regulierung oder Organisation des Genoms beteiligt sind. Da die Zelle ständig durch äußere und innere Faktoren geschädigt wird, verfügt sie über DNA-Reparatursysteme, die die Anhäufung von Fehlern verhindern. Fehler in den codierenden Abschnitten werden bei der Transkription der Gene, d. h. bei deren Aktivierung, erkannt. Fehler in den nicht codierenden Abschnitten werden bei der Zellerneuerung erkannt, bei der durch die DNA-Replikation jedes Mal eine neue Kopie des Genoms erstellt wird. Die Zellerneuerung findet jedoch je nach Gewebe- oder Organtyp nicht gleich häufig statt.
Gewebe und Organe, die in ständigem Kontakt mit der Außenwelt stehen und daher anfälliger für Schäden sind, wie die Haut oder der Darm, erneuern ihre Zellen (und damit ihre DNA) häufiger - ein- bis zweimal pro Woche - als innere, von der Außenwelt abgeschirmte Organe wie die Leber oder die Nieren, die dies höchstens ein paar Mal im Jahr tun.
Die Leber als ideales Studienmodell für das Altern
Die Gruppe von Thanos Halazonetis, ordentlicher Professor am Departement für Molekular- und Zellbiologie der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf, untersucht die Mechanismen der DNA-Replikation. Sein Team untersuchte in Zusammenarbeit mit den Gruppen von Prof. Stroka und Prof. Candinas am Inselspital Bern und der UNIBE Leberzellen (Hepatozyten), die sich nur wenig vermehren und deren DNA selten repliziert wird. Die Wissenschaftler analysierten den potenziellen Zusammenhang zwischen der schnelleren Alterung der Leber und der geringeren Häufigkeit der DNA-Replikation in ihren Zellen.
’Unser Studienmodell, die Mausleber, ist ein ideales Organ, um die Mechanismen der DNA-Replikation in vivo zu untersuchen. Bei erwachsenen Säugetieren vermehren sich die Hepatozyten nämlich nicht mehr, es sei denn, sie wurden teilweise entfernt. Nachdem zwei Drittel der Leber von jungen oder älteren Mäusen entfernt wurden, können wir die Replikationsmechanismen in einem jungen oder alternden Organ direkt im lebenden Organismus untersuchen’, erklärt Prof. Deborah Stroka, Co-Letztautorin der Studie.
Bei der erstmaligen Kartierung der Startstellen für die DNA-Replikation in Leberzellen, die sich nach einer Ablation regenerieren, stellten die Wissenschaftler fest, dass diese immer in nicht-kodierenden Regionen lokalisiert sind. Außerdem wurde beobachtet, dass die Replikationsstarts bei jungen Mäusen wesentlich effektiver waren als bei älteren Mäusen.
’Diese nicht-codierenden Regionen werden nicht regelmäßig auf Fehler überprüft. Sie häufen daher im Laufe der Zeit Schäden an. Nach der Entfernung der Leber bei jungen Mäusen sind die Schäden noch gering und die Replikation der DNA ist möglich. Wenn das Experiment jedoch bei älteren Mäusen durchgeführt wird, löst die zu hohe Anzahl von Fehlern, die sich im Laufe der Zeit ansammeln, ein Alarmsystem aus, das die DNA-Replikation verhindert’, analysiert Giacomo Rossetti, Oberassistent am Departement für Molekular- und Zellbiologie der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf und Erstautor der Studie. Diese Blockade der Replikation in den Zellen mit DNA lässt die Zellvermehrung nicht zu und führt so zu einer Beeinträchtigung der Zellfunktionen und zur Seneszenz des Gewebes.
Hoffnung auf eine Verlangsamung des Alterungsprozesses
Diese Beobachtungen könnten eine Erklärung dafür liefern, warum langsam proliferierende Gewebe wie die Leber schneller altern als schnell proliferierende Gewebe wie der Darm. In Zellen, die über lange Zeiträume hinweg ruhen, haben sich zu viele kryptische DNA-Läsionen in den nicht-codierenden Bereichen, die unter anderem die Replikationsursprünge enthalten, angesammelt und verhindern die Auslösung der Replikation. In schnell proliferierenden Geweben hingegen häufen sich dank der häufigen Zellerneuerung nur wenige Schäden an und die Replikationsursprünge behalten ihre Wirksamkeit intakt. Unser Modell legt nahe, dass durch die Reparatur kryptischer DNA-Schäden vor dem Beginn der Replikation einige Aspekte des Alterns vielleicht vermieden werden könnten. Auf diese neue Arbeitshypothese werden sich unsere Bemühungen konzentrieren’, schloss Thanos Halazonetis.