Wissenschaftler der EPFL haben herausgefunden, dass Vanadiumoxid (VO2), ein Material, das in der Elektronik verwendet wird, die Fähigkeit besitzt, sich an die gesamte Geschichte der Reize zu erinnern, die es empfängt. Dies ist das erste Material, das als solches identifiziert wurde, aber es könnte noch weitere geben.
Diese Entdeckung war ein Zufall. Mohammad Samizadeh Nikoo, ein Doktorand im Labor für Leistungshalbleiterbauelemente (POWERlab) , wollte den Übergang von Vanadiumoxid (VO2) untersuchen. Ohne Belastung und bei Raumtemperatur weist es eine isolierende Phase auf. Wird es unter Spannung gesetzt und auf 68 Grad Celsius erhitzt, wandelt es sich in ein Metall um. Vanadiumoxid hat ein typisches flüchtiges Gedächtnis: "Das Material kehrt in seinen isolierenden Zustand zurück, sobald man die elektrische Stimulation beendet", erklärt der Wissenschaftler.
Das Ziel seiner Doktorarbeit war es, die Zeit zu beobachten, die dieses Material für den Übergang von einem Zustand in den anderen benötigt. Seine Forschungen führten ihn jedoch zu einem anderen Ziel. Durch mehrere hundert Messungen und Berechnungen fand der Wissenschaftler heraus, dass Vanadiumoxid ein langes Gedächtnis hat, das mit seiner Struktur zusammenhängt.
Ein unerwartetes Gedächtnis
Für seine Experimente leitete Mohammad Samizadeh Nikoo einen elektrischen Strom durch ein Stück Vanadiumoxid. "Ein elektrischer Impuls durchdringt das Material und setzt seinen Weg bis zum Ausgang fort", erläutert der Wissenschaftler. Während dieses Durchgangs vollzieht das Material seine Umwandlung, während der Strom es erhitzt, und kehrt dann in seinen ursprünglichen Zustand zurück, sobald der Strom vorbei ist. Die Forscher stellten fest, dass die Zeit, die das Vanadiumoxid braucht, um seine Beschaffenheit durch den zweiten elektrischen Strom, der ihm zugeführt wird, zu verändern, direkt mit der Reizgeschichte zusammenhängt. "Es erinnert sich an seinen letzten Übergang und antizipiert den nächsten. Es handelt sich um einen unerwarteten Gedächtniseffekt. Dieser ist nicht mit elektronischen Zuständen verbunden, sondern mit der physikalischen Struktur des Materials. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht neu, denn kein anderes Material verhält sich so", sagt Elison Matioli, Professor und Leiter des Labors.
Bis zu drei Stunden Erinnerung
Die Wissenschaftler konnten überprüfen, dass sich das Material bis zu drei Stunden lang an den zuletzt erhaltenen Stimulus erinnerte. "Wenn es sich so lange danach daran erinnert, kann man sagen, dass diese Erinnerung mehrere Tage andauern kann, aber derzeit haben wir nicht die Messinstrumente, um das zu beweisen", erklärt Elison Matioli.
Warum diese Entdeckung so wichtig ist - In dieser Situation ist das Gedächtnis eine Eigenschaft des Materials selbst. Bei jeder Art von Berechnung greifen Ingenieure auf einen Speicher zurück. Heutzutage wollen sie Speicher mit hoher Kapazität, die schnell und klein sind. Vanadiumoxid erfüllt alle drei Kriterien. Außerdem ist sein Speicher strukturell und kontinuierlich und nicht elektronisch und binär, wie es bei herkömmlichen Speichern der Fall ist.
Um zu ihren Ergebnissen zu gelangen, mussten die Wissenschaftler eine große Anzahl von Messungen durchführen. Sie wandten ihre neuen Messtechniken auch auf verschiedene Materialien aus anderen Labors weltweit an, um ihre Ergebnisse zu validieren. Diese Entdeckung bildet gut nach, was im Gehirn passieren kann, da die "Schalter" aus Vanadiumoxid wie Neuronen agieren.
Referenzen
M. Samizadeh Nikoo, R. Soleimanzadeh, A. Krammer, G. Migliato Marega, Y. Park, J. Son, A. Schueler, A. Kis, P. Moll, and E. Matioli, Electrical Control of Glass-like Dynamics in Vanadium Dioxide for Data Storage and Processing, Nature Electronics, 2022.
’022 -00812-z